Die Seele aller Religionen ist eins

Was uns eint und was uns trennt

ein Beitrag von Harald R. Preyer vom 20.11.2024

„Deus Caritas Est“ – „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). Dieser Satz aus dem Christentum bringt auf den Punkt, was viele Religionen in unterschiedlicher Weise formulieren: Liebe, Mitgefühl und der Wunsch nach einer höheren Verbindung prägen die spirituellen Traditionen der Menschheit. Der Dalai Lama drückt es so aus: „Die Seele aller Religionen ist eins.“

Doch wie einheitlich ist diese Seele tatsächlich? Die großen Weltreligionen haben sich über Jahrtausende hinweg entwickelt, jede mit ihrer eigenen Geschichte, Symbolik und Interpretation des Göttlichen. Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es Unterschiede in ihrer Gottesvorstellung, Ethik und ihrem Verständnis von Erlösung. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Religionen, ihre Entstehung und Bedeutung in der modernen Welt.

16 Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. 17 Darin ist unter uns die Liebe vollendet, dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben. Denn wie er, so sind auch wir in dieser Welt. 18 Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe. 19 Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. 20 Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. 21 Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben. 1, Joh 4, 16


Was die Religionen verbindet und trennt

Religionen teilen eine fundamentale Suche nach Sinn und Transzendenz. Der Hinduismus (ॐ), die älteste der Weltreligionen, beschreibt eine spirituelle Einheit, die alle Wesen durchdringt. Das Judentum (✡) sieht den Bund mit einem persönlichen Gott als zentral. Der Buddhismus (☸) verzichtet auf eine Gottesvorstellung und konzentriert sich auf Mitgefühl und die Überwindung von Leiden. Der Taoismus (☯) sieht Harmonie mit dem kosmischen Prinzip Tao als Weg zur Erfüllung.

Das Christentum (✝) hebt sich durch die Vorstellung eines persönlichen Gottes ab, der „Vater“ genannt werden kann. Die Liebe Gottes, sichtbar in Jesus Christus, bildet das Fundament. Ähnlich betont der Islam (☪) die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, unterscheidet sich jedoch durch die Ablehnung der Trinität und die Rolle Jesu als Prophet. Der Sikhismus (☬) sieht die Liebe zu Gott in Verbindung mit Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit. Der Bahá’í-Glaube (✶) wiederum betont die Einheit aller Religionen, während indigene Religionen (🌿) das Göttliche in der Natur und den Ahnen finden.


Entstehung der Religionen

Viele Religionen sind als Antwort auf gesellschaftliche Krisen und spirituelle Fragen entstanden. Die ältesten, Hinduismus und Judentum, wurzeln tief in der Geschichte. Philosophische Ansätze wie Buddhismus und Taoismus entwickelten sich in Zeiten kulturellen Umbruchs, während jüngere Religionen wie Islam, Sikhismus und Bahá’í-Glaube aus reformatorischen Bewegungen hervorgingen.

Faktenbox 1: Entstehung der Religionen

ReligionWannWo
Hinduismus (ॐ)Ca. 1500 v. Chr.Indien
Judentum (✡)Ca. 1200 v. Chr.Naher Osten
Buddhismus (☸)5./6. Jh. v. Chr.Indien
Taoismus (☯)4. Jh. v. Chr.China
Christentum (✝)1. Jh. n. Chr.Naher Osten
Islam (☪)7. Jh. n. Chr.Mekka/Arabien
Sikhismus (☬)15. Jh. n. Chr.Indien
Bahá’í-Glaube (✶)1844Persien
Indigene (🌿)Seit JahrtausendenWeltweit

Bedeutung in der modernen Welt

Die großen Religionen beeinflussen weiterhin das Leben von Milliarden Menschen. Das Christentum ist mit 2,4 Milliarden Gläubigen die größte Religion, während der Islam vor allem auf Grund der Geburtenpolitik seiner Mitglieder mit 1,9 Milliarden die am schnellsten wachsende ist.

Das Christentum ist mit seinen rund 500.000 Priestern, ein globaler Player der Nächstenliebe

Faktenbox 2: Bedeutung heute und Trends

ReligionAnhänger (ca.)Tendenz
Christentum (✝)2,4 MilliardenSchrumpfend in Europa, wachsend in Afrika/Asien
Islam (☪)1,9 MilliardenWachsend
Hinduismus (ॐ)1,2 MilliardenStabil
Buddhismus (☸)500 MillionenStabil bis leicht rückläufig
Judentum (✡)15 MillionenStabil
Taoismus (☯)20–30 MillionenSchrumpfend
Sikhismus (☬)30 MillionenStabil bis wachsend
Bahá’í-Glaube (✶)6–8 MillionenWachsend
Indigene (🌿)Hundert MillionenBedroht

Christliche Organisationen betreiben weltweit eine Vielzahl sozialer Einrichtungen, darunter Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und weitere soziale Dienste. Diese Einrichtungen werden von verschiedenen christlichen Konfessionen und Organisationen getragen, wie der römisch-katholischen Kirche, der evangelischen Kirche und anderen christlichen Gemeinschaften.

Katholische Kirche: Die katholische Kirche ist einer der größten Träger sozialer Einrichtungen weltweit. Laut dem Annuario Pontificio 2022 betreibt die katholische Kirche weltweit:

  • Schulen: Über 216.000 Schulen mit mehr als 60 Millionen Schülern.
  • Krankenhäuser: Rund 5.500 Krankenhäuser.
  • Altenheime: Etwa 15.000 Alten- und Pflegeheime.

In Deutschland ist die Caritas der größte katholische Wohlfahrtsverband. Sie beschäftigt rund 695.000 Mitarbeiter in etwa 25.000 Einrichtungen und Diensten. 

Evangelische Kirche: Die Diakonie ist der soziale Dienst der evangelischen Kirche. In Deutschland umfasst die Diakonie etwa 30.000 Einrichtungen, darunter Krankenhäuser, Pflegeheime, Kindertagesstätten und Beratungsstellen. Sie beschäftigt mehr als 627.000 hauptamtliche Mitarbeiter. 

Österreich: In Österreich ist die Caritas eine bedeutende christliche Organisation im sozialen Bereich. Die Caritas der Erzdiözese Wien beschäftigt über 5.948 hauptberufliche Mitarbeiter und wird von 15.638 ehrenamtlichen Mitarbeitern unterstützt. 

Weltweit: Weltweit betreiben christliche Organisationen zahlreiche soziale Einrichtungen. Die genaue Anzahl der Mitarbeiter variiert je nach Land und Organisation. In vielen Ländern sind christliche Krankenhäuser, Schulen und soziale Dienste ein wesentlicher Bestandteil des Gesundheitssystems und der sozialen Versorgung.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Zahlen je nach Quelle und Jahr variieren können. Dennoch verdeutlichen sie den erheblichen Beitrag christlicher Organisationen im sozialen Sektor weltweit.

Wie praktizieren die Gläubigen die Ausübung ihrer Religion?

Die Ausübung von Religion ist vielfältig und tief in den Traditionen jeder Glaubensgemeinschaft verwurzelt. Hindus verehren Gottheiten mit Ritualen, Opfergaben und Meditation, während Juden Gebete, den Sabbat und koschere Speisegesetze einhalten. Muslime richten ihre Gebete fünfmal täglich gen Mekka und fasten im Ramadan, während Christen die Sakramente feiern und sonntags Gottesdienste besuchen. Buddhisten meditieren, rezitieren Sutras und streben nach Erleuchtung, und Taoisten suchen Harmonie durch Meditation und Qi Gong. Sikhismus betont die tägliche Gebetspraxis, Gemeinschaft und soziale Gerechtigkeit, während Bahá’í in Einheit und Meditation die Verbindung zu Gott suchen. Indigene Religionen schließlich verbinden spirituelle Rituale oft mit Naturverehrung.

Erkennbar sind Gläubige oft an Symbolen oder Kleidung: Juden tragen Kippa oder Tallit, Muslime Kopftücher oder traditionelle Gewänder, Sikhs Turbane und das eiserne Armband Kara, während Christen häufig ein Kreuz als Schmuck tragen. Buddhistische und taoistische Mönche fallen durch ihre einfachen Roben auf, während bei Hindus und indigenen Religionen Schmuck oder Kleidung mit spirituellen Motiven verbreitet sind.


Faktenbox 3: Praxis der Religionsausübung und Erkennungsmerkmale

ReligionPraxis der AusübungErkennungsmerkmale
Hinduismus (ॐ)Rituale, Meditation, Yoga, OpfergabenTilaka (Stirnzeichen), Om-Schmuck
Judentum (✡)Gebete, Sabbat, koschere SpeisegesetzeKippa, Tallit, Tefillin
Buddhismus (☸)Meditation, Sutra-Rezitation, OpfergabenSafranfarbene Roben, Gebetsfahnen
Taoismus (☯)Meditation, Qi Gong, RäucherstäbchenRoben, Yin-Yang-Symbole
Christentum (✝)Gebete, Sakramente, GottesdiensteKreuz als Schmuck, kirchliche Kleidung
Islam (☪)Fünf tägliche Gebete, Fasten, HaddschKopftuch, Taqiyah, traditionelle Gewänder
Sikhismus (☬)Gebete, Langar (Gemeinschaftsessen), Gurdwara-BesuchTurban, Kara (eiserner Armreif)
Bahá’í (✶)Meditation, tägliche Gebete, FastenSchlichte Kleidung, neunzackiger Stern
Indigene (🌿)Rituale, Tänze, NaturverehrungTraditionelle Kleidung, spirituelle Muster

Die Praxis und die Symbole sind ein Ausdruck der spirituellen Identität der Gläubigen und oft tief in ihrem Alltag verankert.

Conclusio

Die Religionen der Welt spiegeln die Vielfalt menschlicher Sehnsüchte und Perspektiven wider. Sie teilen universelle Werte wie Mitgefühl, Ethik und die Suche nach Sinn, unterscheiden sich jedoch in ihren Wegen zu Gott, ihrer Kosmologie und ihrer Vorstellung von Heil und Erlösung.

Die Worte des Dalai Lama, dass „die Seele aller Religionen eins“ sei, laden uns ein, diese Gemeinsamkeiten zu erkennen und Unterschiede zu respektieren. In einer Welt voller Veränderungen bleibt Religion eine Quelle der Hoffnung und Orientierung – eine Brücke zwischen Tradition und Moderne.

Quellen

Die Bibel (Einheitsübersetzung 2016)

Grundlage für christliche Lehren und Praxis, insbesondere die Aussage „Deus Caritas Est“ (1 Joh 4,16).

Link: Die Bibel online

Koran (Übersetzung von Max Henning)

Heilige Schrift des Islam, die zentrale Prinzipien wie Gebet, Fasten und soziale Verantwortung beschreibt.

Link: Quran.com

Tao Te King von Laozi (Übersetzung Richard Wilhelm)

Gründungstext des Taoismus mit philosophischen Ansätzen zur Harmonie mit dem Tao.

Link: Tao Te King

Guru Granth Sahib

Heilige Schrift des Sikhismus mit zentralen Gebeten und Lehren zur sozialen Gerechtigkeit und Gleichheit.

Link: SikhNet

Bahá’í-Schriften: „Die verborgenen Worte“ von Bahá’u’lláh

Grundlage des Bahá’í-Glaubens mit Fokus auf Einheit und Liebe.

Link: Bahá’í.org

Annuario Pontificio 2022

Statistiken der katholischen Kirche zu sozialen Einrichtungen weltweit, wie Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen.

Link: Vatican.va

Statistiken der Diakonie Deutschland und der Caritas Internationalis

Berichte und Daten zu sozialen Diensten und ihrer globalen Bedeutung im Christentum.

Links: Caritas.orgDiakonie.de

„The Art of Happiness“ von Dalai Lama

Philosophische Betrachtungen des Dalai Lama über die Gemeinsamkeiten aller Religionen.

ISBN: 978-0340750155

UNESCO-Berichte über Bildung und Religion

Daten und Statistiken zu Schulen und Bildungseinrichtungen, einschließlich derer, die von religiösen Organisationen betrieben werden.

Link: UNESCO.org

„The Great Transformation“ von Karen Armstrong

Überblick über die Entstehung der großen Weltreligionen und ihre Entwicklung.

ISBN: 978-0385721240

Dankbar sein

Man kann dankbar für etwas sein und dankbar gegenüber jemandem. Dankbarkeit für etwas besteht in der Wertschätzung dessen, was uns zuteilwird. Das kann vieles sein: die Beziehung zu bestimmten Menschen, die eigene Gesundheit oder die derer, die uns am Herzen liegen, Eigentum, das uns einen Spielraum von Möglichkeiten eröffnet, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Frieden und vieles mehr. Und wir sind dankbar (oder sollten es sein) gegenüber den Menschen, denen wir etwas zu „verdanken“ haben. In vielen Religionen spielt Dankbarkeit Gott gegenüber eine bedeutsame Rolle.

Wieso aber ist Dankbarkeit die Mutter aller anderen Tugenden, wie Cicero (106–43 v. Chr.) sagt? Wer Dankbarkeit als Lebenseinstellung hat, wird vieles zu schätzen wissen, was allzu leicht für selbstverständlich gehalten wird. Ein solcher Mensch ist bereit und auch fähig, die Mühen auf sich zu nehmen, die mit der Verwirklichung von Gerechtigkeit, Tapferkeit, Enthaltsamkeit und anderen Tugenden verbunden sind.

Dankbar sein allein genügt nicht, wir müssen die Dankbarkeit auch zeigen und ausdrücken. In der Alltagsroutine wird dies zu leicht vergessen. Dabei ist es so einfach, zu sagen: »Vielen Dank, dass du an mich gedacht hast.«

Quelle: Der Philosophie-Kalender 2024

Die Welt wird immer besser. Warum sind wir so hilflos?

Zusammenfassung eines Gesprächs mit Michael Lehofer 

14.11.2024 Michael Lehofer beschreibt die zunehmende Zahl an psychischen Krisen und Burnouts als ein Symptom der modernen Arbeitswelt, in der Menschen oft wie Maschinen funktionieren müssen. Obwohl die Arbeitsbedingungen objektiv betrachtet besser geworden sind, führt die implizite Unternehmensphilosophie vieler Betriebe dazu, dass Mitarbeitende als planbare Objekte betrachtet werden. Diese Reduktion auf Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit nimmt den Menschen die Möglichkeit, als Individuen mit eigenen Stärken und Schwächen wahrgenommen zu werden. Lehofer betont, dass Menschen diese Entfremdung von sich selbst und von anderen nicht ertragen können, was die Ursache für innere Krisen und das Gefühl der Überforderung ist.

Zur Lösung dieser Problematik sieht Lehofer die zwischenmenschliche Kommunikation als zentral an. Kommunikation ist der Schlüssel zu einer Kulturveränderung in Unternehmen, weil sich die meisten Verletzungen und Missverständnisse genau hier ereignen. Durch eine echte, persönliche Kommunikation können Mitarbeitende wieder spürbar füreinander werden, was ein Gefühl von Verbindlichkeit und Wärme schaffen kann, das in vielen Organisationen fehlt. Eine gelingende Kommunikation bildet damit die Basis für die Heilung von zwischenmenschlichen Wunden und für die Entstehung eines menschlicheren Arbeitsumfeldes.

Lehofer weist auch darauf hin, dass die gesellschaftliche Wahrnehmung oft trügt. Während viele Menschen das Gefühl haben, die Welt werde immer schlechter, zeigen objektive Daten, dass die Bedingungen sich über die Jahrzehnte stetig verbessert haben. Die subjektive Wahrnehmung verschlechtert sich jedoch, weil Menschen immer höhere Ansprüche an sich selbst stellen und durch den ständigen Vergleich mit anderen in sozialen Medien unter Druck geraten. Anstatt auf persönliche Zufriedenheit und Freude zu achten, jagen viele einem unerreichbaren Ideal hinterher, was zu innerem Unfrieden und Erschöpfung führt.

Abschließend betont Lehofer, dass der Schlüssel zum Glücklichsein nicht in einem bestimmten Ziel oder einem erfüllten Wunsch liegt, sondern in der Fähigkeit, das Glücklichsein selbst zu leben. In den Worten von Buddha: „Es gibt keinen Weg zum Glücklichsein. Glücklichsein ist der Weg.“ Dieser Ansatz fordert dazu auf, sich selbst anzunehmen und Frieden in der Gegenwart zu finden, anstatt ständig dem „besseren Leben“ nachzujagen. Glück bedeutet somit nicht, etwas zu erreichen, sondern sich in den Alltagserfahrungen wiederzufinden und Freude an den kleinen Momenten zu haben.

Michael Lehofer ist ärztlicher Direktor des LKH Graz II und leitet die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie 1.

Quelle: https://youtu.be/HSf5sNB_z8Y

Das traurige Mädchen und das Blumenbild

Hans Thoma (1839 – 1924), Auf einer Waldwiese, 1876, Hamburger Kunsthalle. Thomas Braut Cella war das Modell der weiblichen Figur im Bild.

Dieses Bild habe ich vor Jahren im Coaching mit einer jungen Frau benützt, die tief traurig zu mir kam und meinte: „Jetzt ist meine Mutter gestorben und ich konnte gar nicht mehr mit ihr klären, was mich an ihren Aussagen so traurig gemacht hat.“

Ich fragte Sie: „Was denn?“ Und sie erzählte mir, dass ihre Mutter ihr manchmal ein Bild von einem Mädchen in einer blühenden Sommerwiese beim Blumenpflücken gezeigt habe und sich dann gewünscht habe, dass sie so wäre, wie dieses Mädchen auf dem Bild. Sie sei aber rothaarig, klein und etwas rundlicher…

Ich überlegte kurz, suchte dieses Bild und meinte dann: „Vielleicht hat Ihre Mutter gemeint, sie wünscht ihnen, dass ihre Heuschnupfen-Allergie, von der sie mir erzählt haben, möglichst bald vorbei sei, damit Sie wie das Mädchen im Bild auf der blühenden Wiese auch einen schönen Blumenstrauß pflücken können…“

Die junge Frau richtete sich auf, strahlte mich an und meinte unsicher mit einem Hauch von Hoffnung in den fröhlicher werdenden Augen: „Meinen Sie wirklich? So habe ich das noch gar nie betrachtet…?“ Ich sagte nur: „Ich weiß es nicht, aber vermutlich war es so. Wir können ihre Mutter beide nicht mehr fragen aber wir können daran glauben, dass sie es so gemeint hat.“

————

Die vereinzelten Antisemitismus – Vorwürfe gegen Hans Thoma sind mir bekannt. Ich schließe mich allerdings der Meinung an, dass sein Oeuvre für die NS Propaganda missbräuchlich verwendet wurde.

Plane nicht – lebe!

Das Leben besteht aus Mosaiksteinen, sagt die Unterhachingerin Nina Martin, die aufgrund ihrer Herzkrankheit schon oft mit dem Tod konfroniert gewesen ist. Ihr Schicksal hat sie auch in ihrem Ratgeber „Plane nicht – lebe“ verarbeitet. © Martin Becker, Münchner Merkur 27.5.2021

Einführung

Nina Martin schildert eine persönliche Wendepunkt-Erfahrung: Nach einer lebensgefährlichen Diagnose beschließt sie, ihr Leben neu zu gestalten und entwickelt die „Mosaikmethode“. Anstatt das Leben durch starre Pläne zu kontrollieren, ermutigt sie, flexibel zu bleiben und jede Erfahrung als wertvollen „Stein“ in einem größeren Mosaik zu betrachten.

Kapitel 1: Wir leben in einer VUKA-Welt

Martin erklärt das Konzept der VUKA-Welt (volatil, ungewiss, komplex, ambivalent) und die Notwendigkeit, flexibel zu bleiben. Die traditionelle Drei-Phasen-Struktur des Lebens (Ausbildung, Arbeit, Rente) reicht in dieser komplexen Welt nicht mehr aus.

Kapitel 2: Das eigene Leben als Kunstwerk betrachten

Das Leben wird als Mosaik verstanden, das durch verschiedene Erfahrungen geformt wird. Wichtige Prinzipien:

  1. Sammeln von Mikroerfahrungen: Neue Tätigkeiten ausprobieren, bevor große Entscheidungen getroffen werden.
  2. Reflexion und Anpassung: Das Mosaik flexibel gestalten und regelmäßig reflektieren, ob es den eigenen Werten entspricht.

Kapitel 3: Status quo und Wunsch-Mosaik

Das eigene Lebensmosaik in zwei Teile aufteilen: aktuelles Mosaik und Wunschmosaik. Diese Methode hilft, wichtige Lebensbereiche (z. B. Gesundheit, Gemeinschaft) zu visualisieren und Schritt für Schritt zu verändern.

Kapitel 4: Arbeits-Mosaik gestalten

Das Arbeitsleben kann ebenfalls in Mosaiksteine wie E-Mails, Meetings und Pausen aufgeteilt werden. Martin empfiehlt Mikroerfahrungen und kleine Veränderungen für eine bessere Work-Life-Balance.

Kapitel 5: Gemeinsame Beziehungsvision entwickeln

In Beziehungen kann die Mosaikmethode genutzt werden, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Unterschiedliche Mosaike der Partner können gemeinsam betrachtet und abgestimmt werden.

Fazit

Die Mosaikmethode bietet eine flexible Alternative zu starren Lebensplänen. Jeder „Stein“ repräsentiert eine Erfahrung, die jederzeit neu angeordnet werden kann. Der Ansatz fördert eine anpassungsfähige Lebensgestaltung, die auf persönlichen Werten basiert und Raum für Entwicklung lässt.

Zusammengefasst aus Blinkist und ChatGPT, HRP, 30.10.24

Meinungsmacher

Diese Tabelle ist das Ergebnis einer Internet-Recherche und frei von persönlichen Einschätzungen. PO steht für political orientation, also die Ausrichtung des Mediums auf einer Skala von -10 bis +10 von „links“ bis „rechts“. Reach ist die Reichweite in Millionen Lesern. „Time“ meint die Lesedauer pro Ausgabe und „Quality“ ist die hier  beschriebene Qualität.

Ausgewählte Medien sortiert nach „Qualität“ absteigend und anschließend nach „Reichweite„.

Die Qualität in Medien kann aus verschiedenen Aspekten beurteilt werden, oft basierend auf journalistischen Standards, Genauigkeit, und Tiefgang der Berichterstattung. Hier sind einige Kriterien, die in der Praxis oft zur Bewertung von Medienqualität herangezogen werden:

    Recherche und Faktengenauigkeit
    Hochwertige Medien zeichnen sich durch gründliche Recherche, verlässliche Quellen und eine klare Trennung von Fakten und Meinungen aus. Der Inhalt ist überprüfbar und gut belegt.

    Transparenz und Quellenangabe
    Qualitätsmedien geben ihre Quellen an und erläutern ihre Recherchemethoden. Dadurch ermöglichen sie den Lesern, Informationen nachzuvollziehen und sich ein eigenes Bild zu machen.

    Sachliche, ausgewogene Berichterstattung
    Ein hohes Qualitätsniveau zeigt sich in der sachlichen Darstellung unterschiedlicher Perspektiven, ohne dabei reißerisch oder voreingenommen zu wirken. Sensationsjournalismus oder Boulevardstil wird vermieden.

    Unabhängigkeit
    Qualitätsjournalismus ist von politischen oder wirtschaftlichen Einflüssen unabhängig. Medien mit hoher Qualität vermeiden Interessenskonflikte und setzen sich für objektive Berichterstattung ein.

    Sprache und Präsentation
    Gute journalistische Qualität zeigt sich auch in einer klaren, professionellen Sprache und einer durchdachten Präsentation. Typisch sind sorgfältig formulierte und verständliche Texte.

    Tiefe und Kontextualisierung
    Hochwertige Medien bieten oft Hintergrundinformationen, Analysen und Einordnungen, die über die bloße Berichterstattung hinausgehen. Dies hilft dem Publikum, die Bedeutung der Nachrichten zu verstehen.

    Investigativer Journalismus
    Medien mit hoher Qualität betreiben oft investigativen Journalismus, decken Missstände auf und widmen sich komplexen Themen. Dieser Journalismus nimmt oft eine gesellschaftlich kontrollierende Rolle wahr.

    Diese Kriterien sind natürlich nicht absolut und können je nach Medientyp und Zielpublikum leicht variieren, bieten aber eine sinnvolle Grundlage zur Bewertung der Qualität eines Mediums.

    Ausgewählte Medien sortiert nach „Reichweite“ absteigend und anschließend „politischer Ausrichtung„.

    Die Einteilung in „links“ und „rechts“ basiert auf politischen Überzeugungen und Positionen, die typischerweise entlang gesellschaftspolitischer und wirtschaftspolitischer Dimensionen angeordnet sind. Die Skala kann zwar nie alle Nuancen abdecken, hilft aber bei einer groben Orientierung.

    Hier eine Übersicht über typische Merkmale von links und rechts:

    Gesellschaftspolitisch

      Links:

        • Unterstützung von Gleichberechtigung, Diversität und sozialen Rechten.
        • Proaktive Förderung von Minderheitenrechten, Umweltschutz und sozialen Reformen.
        • Skeptische Haltung gegenüber traditionellen Autoritäten und Strukturen.

        Rechts:

          • Betonung auf Tradition, Ordnung und nationale Identität.
          • Fokus auf individuelle Verantwortung und weniger staatliche Eingriffe in das Privatleben.Wertschätzung von Stabilität und traditionellen sozialen Strukturen.

          Wirtschaftspolitisch:

            Links:

            • Befürwortung von staatlichen Eingriffen zur Umverteilung des Wohlstands und zum Schutz sozialer Standards.
            • Unterstützung für Gewerkschaften, sozialen Wohnbau und progressive Besteuerung
            • Kritik an unreguliertem Kapitalismus und starker Marktkonzentration.

            Rechts:

              • Betonung auf Marktliberalismus, Eigenverantwortung und geringe staatliche Eingriffe.
              • Unterstützung von niedrigeren Steuern und Förderung des Unternehmertums.
              • Skepsis gegenüber staatlicher Umverteilung und umfassenden Sozialleistungen

              Weitere Nuancen:

              • Links-Liberal: Setzt sich für soziale Freiheit, Toleranz und staatliche Unterstützung in wirtschaftlichen Fragen ein.

              • Konservativ: Setzt sich für traditionelle Werte und begrenzte staatliche Einmischung in das wirtschaftliche Leben ein.

              • Progressiv vs. Reaktionär: Progressiv orientierte Haltungen streben Veränderungen an, während reaktionäre Positionen bestehende Werte und Strukturen betonen.

              Diese Einteilung ist relativ und von Land zu Land verschieden, da kulturelle und historische Kontexte eine wichtige Rolle spielen. Viele Medien bewegen sich auf dieser Skala irgendwo dazwischen und vereinen linke und rechte Elemente, je nach Themenbereich.

              Brief einer sterbenden jungen Frau an ihre Mutter

              Warum hast du mich nicht bekannt gemacht mit dem Klang seines Schrittes?

              Ich erinnere mich noch genau der Sommernacht, in welcher mich mein Vater in den Garten führte, um mir die Milchstraße und einige Sternbilder zu zeigen. (Er sagte:) „Alle diese Sterne hat Gott geschaffen, sie sind Werke Gottes wie die Sonne, der Mond und die Erde mit allem, was du siehst.“ 

              Auf diese Weise trat Gott erstmals in mein Kinderleben auf eine meinem Verstand zugängliche Art. Mein Vater hatte mir den allmächtigen Schöpfer-Gott gezeigt, den unendlich großen Geist, der die Kraft und die Macht hat, aus dem Nichts ein Weltall hervorzubringen. Der Einbruch dieser Erkenntnis Gottes in mein Leben machte auf mich einen gewaltigen Eindruck. Nach dieser Sommernacht ging ich tagelang wie benommen durch meine kleine Kinderwelt, die mir nun so groß erschien, und ich schaute alles an mit dem Gedanken: „Gott hat all das erdacht, Gott hat all das erschaffen.“ Welch neue Freude! All das war für mich aus den Händen Gottes entsprungen.

              Eine Frau beschreibt im Rückblick auf die Zeit, als sie vier oder fünf Jahre alt war, so ihr elementares religiöses Erlebnis: „Liebe Mutter! Seit einigen Tagen kann ich nur noch eine halbe Stunde täglich im Bett sitzen, sonst liege ich fest. Das Herz will nicht mehr. Heute früh sagte der Professor etwas – es klang so nach ‚gefasst sein‘. Worauf? Es ist sicher schwer, jung zu sterben! Gefasst muß ich darauf sein, dass ich am Wochenanfang ein Gewesener bin – und ich bin nicht gefasst. Die Schmerzen wühlen fast unerträglich; aber wirklich unerträglich dünkt es mich, dass ich nicht gefasst bin. Das Schlimmste ist, wenn ich zum Himmel aufblicke, ist er finster. Es wird Nacht, aber kein Stern glänzt über mir, auf den ich im Versinken blicken könnte. Mutter, ich war nie gottesfürchtig; aber ich fühle jetzt, dass da noch etwas ist, das wir nicht kennen, etwas Geheimnisvolles, eine Macht, der wir in die Hände fallen, der wir antworten müssen auf alle Fragen. Und das ist meine Qual, dass ich nicht weiß, wer das ist.

              Wenn ich ihn kennen würde! Mutter, weißt Du noch, wie Du mit uns Kindern durch den Wald gingst bei einbrechender Dunkelheit, dem Vater entgegen, der von der Arbeit kam? Wir liefen Dir manchmal davon und sahen uns plötzlich allein. Schritte kamen durch die Finsternis – welche Angst vor den fremden Schritten! Welche Freude, wenn wir den Schritt erkannten als den Deinen, den der Mutter, die uns liebte. Und nun höre ich wieder in Einsamkeit Schritte, die ich nicht kenne. Warum kenne ich sie nicht?

              Du hast mir gesagt, wie ich mich kleiden muß und wie ich mich im Leben verhalten muß, wie man isst, wie man so durchs Leben kommt. Du hast für mich gesorgt, Du wurdest nicht müde über allem Sorgen. Ich erinnere mich auch, dass Du am Heiligabend mit Deinen Kindern in die Christmette gingst; auch an ein Abendgebet erinnere ich mich, das Du mir einige Male vorgesagt hast. Immer hast Du uns zur Ehrlichkeit angehalten. Aber das alles zerfällt mir jetzt wie mürber Zunder.

              Warum hast Du uns von so vielem gesagt und nicht – von Jesus Christus? Warum hast Du mich nicht bekannt gemacht mit dem Klang seines Schrittes, dass ich merken könnte, ob er zu mir kommt in dieser letzten Nacht und Todeseinsamkeit? Dass ich wüsste, ob der, der da auf mich wartet, ein Vater ist! Wie anders könnte ich sterben!“

              A. Kappler, Brief eines todkranken jungen Mädchens an ihre Mutter. Nach dem Tode des jungen Mädchens von einer Krankenschwester gefunden. Mit Erlaubnis der Mutter weitergegeben. (Manuskript)

              Danke an Domkurat Stefan Jagoschütz für das auszugsweise Zitieren dieses Briefes in seiner Predigt am 27.10.2024 im Stephansdom und für das Weitersenden des Manuskripts.

              Die 5 Sprachen der Liebe – Vorversion

              Vielen Dank für Dein Interesse und Deine Zeit, diese Vorversion meines neuen Projekts mitzuentwickeln!

              In den letzten Jahren stelle ich in vielen Gesprächen mit Freunden und auch in Coachings fest, dass es eine größer werdende Sehnsucht gibt, wirklich erfüllende Liebe in einer glücklichen Partnerschaft zu leben. Das mag mit der Entwicklung neuer Medien und einem veränderten Konsumverhalten zu tun haben. Vermutlich ist auch unsere relativ ausgeprägte Wohlstandsgesellschaft an dieser Entwicklung beteiligt.

              Für einen Workshop mit Führungskräften habe ich auf Basis des bekannten Bestsellers von Garry Chapman und vieler Gespräche in den letzten sechs Monaten daraus eine Übung entwickelt, die der Selbstreflexion dient und zu unmittelbaren Umsetzungsergebnissen führt.

              Stellst Du auch ein zunehmendes Bedürfnis nach erfüllten Beziehungen in Deinem Umfeld fest?

              Wie gefällt Dir die Übung? Was würdest Du anders machen?

              Bitte schick‘ mir Deine Gedanken dazu oder ruf‘ mich gerne an.

              Vielen herzlichen Dank und alles Liebe

              Harald Preyer


              +43 676 723 82 67
              harald@preyer.wien

               

              Drei Monate ohne Scheidungsanwälte

              Nicht jede große Liebe ist nach etlichen Jahren noch eine solche. Oft bleiben Ehepartner zusammen, weil es gemeinsame noch junge Kinder gibt oder eine gemeinsame Firma oder gemeinsame Schulden und Verpflichtungen.

              Zehn, 15, 20 oder 30 Jahre später kommen die Ehepartner dann endgültig drauf, dass sie sich die letzten Jahre nur noch genervt und mehr Energie gekostet haben als sie einander schenken konnten.

              Was hilft: Das engagierte Suchen, Fragen und Wiederentdecken all dessen, was einmal schön war. Und wenn das nicht gelingt, das gemeinsame liebevolle Ringen um eine Trennung im Guten.

              Das ist leichter möglich, wenn beide Partner für drei Monate darauf verzichten, sich Anwälte zu nehmen und bei langen Spaziergängen ohne Alkohol, ohne Ablenkung, in Ruhe, achtsam und liebevoll nach Lösungen suchen.

              Tragfähige Lösungen in belasteten Beziehungen setzen voraus, dass alle Beteiligten Klarheit darüber haben, was sie und er unabhängig von einander wirklich wirklich wirklich wollen. Sonst werden nur faule Kompromisse geschlossen.

              Ich habe solche Prozesse in den letzten 20 Jahren oft begleitet. Resultat: Rund 3/4 aller Paare sind heute noch gute Freunde obwohl manche längst mit anderen Partnern verheiratet sind.

              Mir selbst ist es im Jahr 2012 nach 20 Ehejahren nicht gelungen, verheiratet zu bleiben. Damals sagte meine Exfrau – für mich völlig unerwartet – eines Abends zu mir: „Harald, wir müssen miteinander reden. Es gibt einen anderen Mann in meinem Leben.“ Wir haben dann gemeinsam mit unseren Kindern einige Monate lang nach guten Lösungen gerungen und sie auch gefunden. 

              Warum poste ich das heute? Weil mich am Montag wieder einmal ein spürbar ratloser und angetrunkener Coaching-Kunde am späteren Abend angerufen und gefragt hat, ob ich einen guten Scheidungsanwalt kenne. Er war dann gestern nüchtern und liebevoll – so wie ich ihn kenne – mit seiner Ehefrau bei mir. Nach einem längeren guten Gespräch haben wir gemeinsam die Sorgen des Paares im Gebet Gott anvertraut. Ich glaube, dass auch diesmal die Liebe siegen wird.

              Die Dienstbotenmuttergottes

              Die Dienstbotenmuttergottes: Das bezaubernde Lächeln in ihrem Gesicht bezeugt, warum sie als „Schöne Madonna“ bezeichnet wird. Sie ist die älteste Marienfigur des Domes, entstanden um 1300.

              Die älteste Marienfigur im Dom ist gleichzeitig eine der bekanntesten und wohl die bedeutendste: die legendenumwobene Dienstbotenmuttergottes. Die Legende weiß zu berichten, dass einer reichen Gräfin ihr Ring abhanden gekommen sei. Daraufhin beschuldigte sie ihre Dienstmagd des Diebstahls. Das unschuldige Mädchen nahm zu dieser Marienstatue in der gräflichen Privatkapelle im Gebet Zuflucht, worauf sich bald der Ring im Handschuh der Gräfin wiederfand und die Magd rehabilitiert war. Die Gräfin soll daraufhin die Figur der Stephanskirche geschenkt haben.

              Der Name erklärt sich aber wohl eher von daher, dass sich die um 1300 entstandene Statue ursprünglich als Andachtsbild am ehemaligen Marienaltar im Frauenchor befand, wo in alter Zeit die Frühmesse, die vor allem die Dienstboten besuchten, gefeiert wurde. Von diesem und vielen anderen Legenden umwoben, erklärt sich der Name – darin besteht wohl der wahre Kern der Legende.

              Die Madonnenfigur, die ursprünglich auch auf der Rückseite ausgearbeitet war, ist durch den Schleier quasi mit dem lebhaft wirkenden Jesusknaben verbunden, in ihrer höfischen Eleganz ähnlich den Trumeau-Madonnen der französischen Kathedralgotik. Der unbekannte Künstler stammte wohl aus Frankreich oder dem Rheinland. Sie gilt als eine der schönsten Marienfiguren und zählt zu den bedeutendsten Skulpturen ihrer Zeit. Der gespannte Schleier, der auch das Jesuskind umhüllt, ist keine Eigenart dieses Kunstwerks (ähnliche Figuren gibt es in der Wiener Minoritenkirche und in der Niedermünsterkirche in Regensburg), sondern Symbol sowohl für die Menschwerdung (Windel) als auch für den Tod (Grabtuch) Jesu.

              Der elegante Körperschwung wird durch breite Schlüsselfalten und kurvige Röhrenfalten betont. Die Statue besteht aus Margareten Sandstein und ist dem Typus der „Schönen Madonna“ zuzurechnen – wer einmal bewusst in das lieblich lächelnde Gesicht der Gottesmutter geblickt hat, weiß, warum sie so genannt wird und dass sie diese Bezeichnung wirklich verdient. Ursprünglich trug sie noch eine Krone oder einen Kronreif, in der barock ergänzten rechten Hand ein Szepter. Als Stifter wird in der jüngeren Forschung Herzog Albrecht I. angenommen. Da der Herzog in der Zeit des Chorbaus 1308 starb, lässt sich die Datierung mit seinem Todesjahr eingrenzen, sie stand demnach schon in der romanischen Stephanskirche, ist älter als Chor und Langhaus und muss wohl bei den Besuchern damals einen sehr „modernen“ Eindruck hinterlassen haben.

              Seit Jahrhunderten brennen Kerzen vor ihr und der Rauch der vielen Talgkerzen hat sie im Laufe der Jahre dunkel gefärbt – so als hätten sich die vielen Gebete in die Figur der Gottesmutter eingebrannt. Wenn man sie restaurieren und die verborgenen Farbschichten freilegen würde, wäre das sicher ein ästhetischer Gewinn und von großem kunsthistorischem Interesse. Doch kann man die gleichsam „geheiligte“ Patina nicht einfach abnehmen, sie ist ein Zeichen der Frömmigkeit und der großen Verehrung.

              Die Dienstbotenmuttergottes gehört zu den am meisten verehrten Gnadenbildern von St. Stephan, frische Blumen und gespendete Kerzen zeugen davon. Täglich besuchen sie Betende, um ihr Anliegen und Bitten anzuvertrauen, um sie um Fürbitte anzurufen. Manche kommen jeden Tag „auf einen Sprung“ in den Dom, um ihr – wie einer guten Freundin, die zuhören kann – von ihren alltäglichen Anliegen und Freuden zu erzählen.

              Quelle: Reinhard H. Gruber, Der Wiener Stephansdom, Portrait eines Wahrzeichens, Tyrolia, 2024, Seite 126 und 127