Hermann’s Vernissage

22.11.2024 Heute habe ich Yuliya und Harry zu einer Vernissage mitgenommen. Hermanns Hund hat uns eingeladen. Der ist schon erwachsen so wie ich bald und er wohnt im Wald in einem tollen Haus und sein Herrchen macht was ganz Tolles. Habe ich vorher noch nie gesehen. Der macht Bilder aus Gold! Die haben dann auch ohne Licht geleuchtet. Ganz gespenstisch war das.

Da hat dann ein ganz lieber Mann gesprochen. Zu dem haben alle Pater gesagt, aber der hat gar nicht so ein langes Kleid an wie die anderen Mönche, die ich kennengelernt habe. Jedenfalls hat er ganz toll gesprochen. Ich habe nicht gleich alles verstanden. Aber dann habe ich den Kopf schief gelegt. Er hat dann zu mir gesagt: „Teddy Dir geht es gut. Du wirst mit ganz viel Liebe erzogen. Alles Gute!“ Habe ich lieb gefunden. Werde ich meinem Freund, dem Künstler Hund erzählen.

Und ich wünsche dann seinem Herrchen, dass viele rote Punkte auf die Goldbilder geklebt werden. Da habe ich zugeschaut. Das macht sie einfach farbenfroh, finde ich. Und ich habe auch gemerkt, dass der Mann, der auch auf der Bühne gestanden ist und der dann das Buffet eröffnet hat, dass der sich auch immer gefreut hat, wenn er einen roten Punkt drauf geklebt hat. Der hat also auch meinen Geschmack.

https://www.hermannstaudinger.at/de

Ist ChatGPT der „bessere“ Künstler? 

Kann KI Kunst schaffen? Gespräche mit Künstlern, Galeristen, Betrachtern anlässlich der ART VIENNA in der Schönbrunner Orangerie und ein Besuch bei Hermann Staudinger auf der Rieglerhütte.

Wien, 17.9.2023, Harald Preyer

„Die Frage könnte verstören und von den Ausstellern als Provokation verstanden werden“, warnen mich Kollegen im Vorfeld meines Besuches der Art Vienna. „Genau das will ich ja“ denke ich mir: Eine Pro-Vocation – ein „Für-Etwas-Rufen“. Es könnten Streitgespräche werden, oder auch Versuche einer Annäherung. Dabei habe ich mir den Titel nur geliehen. Das war der Arbeitstitel einer Abgeordneten zum Nationalrat für ein Gespräch mit Freunden im Palais Epstein in der letzten Woche. Dort meinte denn auch sinngemäß der nach 23 Jahren abtretende Rektor der Angewandten Gerald Bast: „Im Idealfall kann Künstliche Intelligenz Künstlern den Rücken freihalten und einfache Routineaufgaben für sie erledigen, damit sie Zeit für das Wesentliche, für Fantasie und Inspiration haben.“

Vor einem Bild im vorletzten Raum in der tropisch warmen Orangerie steht verzückt eine junge Frau als würde sie gerade in einen Ozean aus Kobaltblau mit orangem Farbklecks eintauchen.

Gottfried Mairwöger, Réunion, 1998,
Öl auf Leinen, 150 x 130 cm

„Was macht das Bild mit Ihnen?“ frage ich sie leise, weil ich sie nicht aus ihrer Trance wecken wollte. „Oh. Es liebt mich. Ich liebe es. Ich bin grad weit weg und nah dran. Spüren Sie es auch? Das ist der Fluchtpunkt der Sehnsucht, der Hoffnungsstrahl aus dem Jenseits, das Ziel meiner Träume. Meine Sehnsucht hat ein Zuhause.“ Da ist ein Funke übergesprungen, wie ein Künstler später an diesem Nachmittag sagen wird.

„Es muss doch nicht alles immer perfekt sein. Menschen machen halt auch Fehler. Das macht sie ja gerade menschlich. Und das ist der Unterschied zwischen Mensch und Maschine“, meint eine Kunsthändlerin, der ich die Titelfrage stelle. „Künstliche Intelligenz ist ja schon uralt. Sie gibt es im Web seit wir die Möglichkeit haben, auf das Wissen der Welt von unserem Computer zuzugreifen. Das ermöglicht uns vergleichende Betrachtung von Gedanken, Konzepten und Kunstwerken zu einem Stichwort. Wir können aus viel Ähnlichem unser Eigenes schaffen und damit andere konfrontieren. Das ist Kunst“, erklärt mir eine Universitätsdozentin, die auch mit Kunst handelt.

„Der Betrachter kann unsere Installation betreten, Teil des Raumes werden. Wir schaffen mit unterschiedlichen Programmen neue Wirklichkeiten, die wir zu einer kompletten Webseite zusammenfügen. Die ganze Seite verkaufen wir dann an den Sammler. Er kann die URL in seiner Kommunikation nutzen und damit seinen Freunden und Kunden den Schlüssel zu neuen Räumen öffnen“ schwärmt ein Kunsthändler aus Oberösterreich, der in Wien eine Galerie betreibt. Ich betrete auf meinem Handy einen dieser Kunsträume und lausche der beschwörenden Göttin aus einer anderen Welt mit ihrem „Appell an die Menschlichkeit“. Ihr Gesicht erinnert mich an einen Fantasy-Film. Ihre Gedanken haben eine Ordnung und Klarheit, die mich beeindrucken. „Alles mit Künstlicher Intelligenz zusammengefunden“ meint der Schöpfer der Seite stolz.

Nach etwas mehr als zwei Stunden und intensiven Interviews mit unterschiedlichsten Menschen freue ich mich an diesem strahlenden warmen September Nachmittag auf den kühlen Wald. Wir wollen noch Hermann Staudinger, einen lieben Freund und seit mehr als 30 Jahren Künstler, in seinem Haus nahe der Rieglerhütte besuchen. Er hat selbst am Freitag ein Bild zur Eröffnung der Messe ausgestellt. Im angenehm entspannten fokussierten Gespräch erzählt er mir zwei Geschichten, die sein Leben beeinflusst haben.

 

Hermann Staudinger, Im Auer-Welsbach-Park in Wien, Baum-Bild in Gold

Bei einer Ausstellung in New York betrachtete er ein Bild mit einem schwarzen Quadrat, ein „Black Painting“ von Ad Reinhardt. „Da hat sich wieder einmal einer am Schwarzen Quadrat von Kasimir Malewitsch versucht, dachte ich mir am Anfang. Dann habe ich genauer hingesehen. Es waren in Wirklichkeit mehrere Quadrate mit unterschiedlichen Nuancen von Schwarz. Schwarz mit einem zarten Blau, mit rot. Das Bild hatte eine Tiefe, wie ich sie noch nie gesehen habe.“ In Paris im Louvre musste ihm seine charmante Frau Elke versprechen, dass sie nicht die Mona Lisa besuchen würden. Nach einem langen Tag blieb ihnen am Ende noch eine Stunde übrig und sie waren gerade nahe bei Leonardo da Vinci. Es lag also doch nahe, noch einen kurzen Blick auf das wahrscheinlich berühmteste Bild der Welt zu werfen, an dem der Künstler ja sein ganzes Leben lange gearbeitet haben soll. „Die junge Frau hat mir direkt ins Herz geschaut. Sie hat mich berührt wie kein Bild vorher und nachher.“

Mona Lisa (La Gioconda), Leonardo da Vinci, 1503–1506, Musée du Louvre, Paris

Liegt das am zarten Lächeln mit geschlossenem Mund? Sind es die nicht ausgeführten Umrisse (sfumato)? Oder hat der Meister der italienischen Renaissance sein Vermächtnis in das Bild gelegt und das Rezept dazu in sein Grab mitgenommen? Bei Leonardos Tod, im Jahr 1519, befand sich das Bild jedenfalls in seinem Besitz, wurde also niemals dem Auftraggeber abgeliefert. Bei Hermann ist in beiden Fällen ein Funke übergesprungen, der ihn spüren ließ, was er nie vorher empfunden hat. Ist es das? Ist dieser Funke das, was Kunst von Handwerk unterscheidet?

„Kann man diesen Funken vermessen, mathematisch beschreiben?“ wollte der sympathische Linzer Architekt wissen, der seit Beginn unseres Gespräches Zigarre rauchend an der Ecke des Tisches saß und nichts sagte, nur interessiert zuhörte. „Wenn man es nämlich nicht als Algorithmus beschreiben kann, dann wird Künstliche Intelligenz es nicht erschaffen können“, zitierte er stolz seinen Nachzügler, der an der Universität Informatik studiert.