Wie sehr sich das Johannesevangelium von den Synoptikern abhebt, zeigt sich insbesondere an der Fußwaschung Joh 13, 1–20. Während diese das Letzte Abendmahl als Pessachfeier mit Einsetzung der Eucharistie als Feier des Neuen Bundes inszenieren, verortet jenes deren Ursprung im Zusammenhang der Speisung der Fünftausend in Joh 6. Dort heißt es zwar, das Pessach sei nahe gewesen (V. 4), doch die direkte Verbindung zur Passion ist dort nicht gegeben. Was dies für die Eucharistie in johanneischer Sicht bedeutet, zeigt Ludger Schenke im entsprechenden Kapitel seiner Rekonstruktion der Entstehung des Johannesevangeliums.
Gehen wir der Bedeutung nach, die bei Johannes die Fußwaschung als sakramentale Zeichenhandlung gewinnt. Sie greift erkennbar Jesu Reaktion auf den Rangstreit der Jünger auf: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Mk 9, 35) Indem der johanneische Jesus dies durch sein Handeln beim Abschiedsmahl geradezu ins Absurde steigert, deutet er seine Passion voraus und erhebt das Dienen zu seinem Vermächtnis. Gregor der Große (590–604) hat das verstanden, als er sich Diener der Diener Gottes (servus servorum Dei) nannte – die Formel, mit der Päpste bis heute offizielle Dokumente unterschreiben. Im Johannesevangelium gipfelt darin die Dynamik des Prologs, die zentral vom Abstieg Gottes des Logos geprägt ist; über die mehrfache Andeutung der paradox gemeinten Erhöhung (3, 14; 8, 28; 12, 32) und die Fußwaschung führt eine gerade Linie bis zum lapidaren „Vollbracht“ des sterbenden Logos am Kreuz (19, 30). So eindrücklich das Zeichen, so sehr geht es um die Haltung; um das Tun des Unwahrscheinlichen, Unerwarteten, das eingefahrene Gewohnheiten durchbricht und gerade so göttliches Licht hereinlässt.
Quelle: Magnificat – das Stundenbuch vom August 2024, Editorial von Johannes Bernhard Uphus.
Letztes Abendmahl und Fußwaschung, Perikopenbuch Heinrichs II., Reichenau, Anfang 11. Jahrhundert, Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 4452, fol. 105v, © Bayerische Staatsbibliothek München
Jesus sitzt etwas ungemütlich, auch wenn sein thronartiger Sitz mit einem Polster und einem gesäumten Tuch bedeckt ist. Hier spürt man noch eine antike Bildvorlage, welche die Mahlgemeinschaft um den Tisch liegend zeigte, mit dem Hausherrn links am Kopf der Tafel. Er hält eine Buchrolle in der Hand, schaut seine Jünger an und spricht zu ihnen: „Einer von euch wird mich ausliefern“ (Joh 13, 23). Alle Augen sind voller Spannung auf ihn gerichtet. Auf dem Tisch sehen wir Brote, zwei Kelche, eine Schale mit einem Fisch, zwei Messer, einen Krug, aber der Kelch zwischen Jesus und Judas bildet mit der Hand des Judas darüber ziemlich genau die Mitte des oberen Teiles der Miniatur. Denn die Hand des Judas ist es, die den von Jesus eingetauchten Bissen Brot nimmt und so den Verräter verrät.Oben findet das Mahl in einer Säulenhalle mit einer grünen Stoffbahn als Dekoration statt (beide Szenen sind von Goldgrund hinterfangen). Der ovale Tisch mit langem, weißem Tischtuch bildet die Mitte, um die sich die Apostel gruppieren, jedoch in sehr verschiedener Weise: Acht Apostel, an der Spitze Petrus ganz links, sitzen auf einer Bank, die rechts herausschaut, hinter dem Tisch. Ein Apostel (es ist Judas) sitzt auf einem Faldistor (Klappstuhl) vollkommen isoliert vor dem Tisch; er wirkt sehr klein und muss hoch zu Jesus hinaufschauen. Auf ihn werden wir später noch eingehen. Zwei kommen von links und bringen einen Kelch und einen Krug zum Tisch.
Jesus sitzt etwas ungemütlich, auch wenn sein thronartiger Sitz mit einem Polster und einem gesäumten Tuch bedeckt ist. Hier spürt man noch eine antike Bildvorlage, welche die Mahlgemeinschaft um den Tisch liegend zeigte, mit dem Hausherrn links am Kopf der Tafel. Er hält eine Buchrolle in der Hand, schaut seine Jünger an und spricht zu ihnen: „Einer von euch wird mich ausliefern“ (Joh 13, 23). Alle Augen sind voller Spannung auf ihn gerichtet. Auf dem Tisch sehen wir Brote, zwei Kelche, eine Schale mit einem Fisch, zwei Messer, einen Krug, aber der Kelch zwischen Jesus und Judas bildet mit der Hand des Judas darüber ziemlich genau die Mitte des oberen Teiles der Miniatur. Denn die Hand des Judas ist es, die den von Jesus eingetauchten Bissen Brot nimmt und so den Verräter verrät.