Mein Herr und mein Gott!

Der Zweifel des Apostels Thomas: Eine Reflexion über Vertrauen und Glaube

Am 3. Juli feiern wir das Fest des Apostels Thomas, bekannt als der Zweifler. Thomas‘ Geschichte ist eine Erzählung von Skepsis und der Suche nach Wahrheit, die auch heute noch viele Menschen anspricht. Thomas musste sich persönlich davon überzeugen, dass Jesus lebt, um an die Auferstehung zu glauben. Seine Worte an seine Mitjünger sind wohlbekannt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25).

Acht Tage nach dieser Äußerung erschien Jesus seinen Jüngern erneut, diesmal war Thomas dabei. Die Szene, die das Evangelium beschreibt, ist ergreifend: „Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,26-29).

Der ungläubige Thomas, Caravaggio, 1601–1602
Palais in Sanssouci, Potsdam
Öl auf Leinwand, 118 × 156,5 cm

In der Kunst wird diese Szene oft dramatisch dargestellt, wie etwa bei Caravaggio, der Thomas zeigt, wie er seinen Finger in die Wunde Jesu legt. Doch der Text selbst spricht nicht davon, dass Thomas Jesus tatsächlich berührt. Es scheint vielmehr, dass die bloße Anwesenheit Jesu, seine warme Stimme und das direkte Eingehen auf Thomas‘ Zweifel genug waren, um den Apostel zu überzeugen. Die Einladung Jesu, die Narben zu berühren, könnte als symbolische Geste verstanden werden, die Thomas zeigte, dass sein Zweifel ernst genommen wurde.

Dieses Erlebnis führte zu einem der schönsten und kürzesten Glaubensbekenntnisse in der Geschichte des Christentums: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Diese Worte sind ein Zeugnis für die transformative Kraft von Begegnungen, die sowohl Kopf als auch Herz berühren.

Die Geschichte von Thomas zeigt, dass es beim Glauben nicht nur um physische Beweise geht. Es geht um die Berührung des Geistes und des Herzens, um Vertrauen, Empathie und Einfühlungsvermögen. In einer Welt, die oft von Skepsis und Zweifel geprägt ist, erinnert uns Thomas daran, dass wahre Überzeugung oft aus dem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Verbindung und Verstehen entsteht.

Thomas‘ Zweifel und seine schlussendliche Erkenntnis lehren uns, dass es in Ordnung ist, Fragen zu stellen und Beweise zu suchen. Gleichzeitig zeigt uns seine Erfahrung, dass der Glaube oft über das hinausgeht, was wir sehen und anfassen können. Es ist die Begegnung mit dem Heiligen, das direkte Eingehen auf unsere Zweifel und die persönliche Berührung, die unser Vertrauen und unseren Glauben stärken.

Am Fest des Apostels Thomas erinnern wir uns daran, dass der Weg zum Glauben durch Zweifel führen kann und dass das tiefste Glaubensbekenntnis oft aus der Berührung des Herzens und des Geistes entsteht. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben – aber auch die, die durch ihre Zweifel und Fragen zu einem tieferen, persönlicheren Glauben finden.

Ostern 2024 – Kunst

Grabesruhe, Kunst und Auferstehung

Was hältst Du davon, am Ostersamstag in den letzten Stunden bevor Christen auf der ganzen Welt die Auferstehung Jesu Christi feiern in den Stephansdom oder in die Albertina oder in beide zu kommen?

Im Stephansdom herrscht an diesem Tag Grabesruhe. Das Fastentuch von Gottfried Helnwein wird nur noch wenige Stunden dort hängen.

Um 08:00 zelebriert unser lieber Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn die Trauermette. Anschließend führt uns mein Freund Florian Bauchinger, geprüfter Domführer, zur Orgelempore. Er nimmt noch zehn Freunde mit. Wenn Du dabei sein willst, schreib‘ mir bitte! Von dort können wir vielleicht sogar zusehen, wie Experten der Dombauhütte das Fastentuch fachgerecht abmontieren. Jedenfalls werden wir ein letztes Mal aus einer einzigartigen Perspektive dieses Gesamtkunstwerk sehen.

Vielen Dank, lieber Herr Dompfarrer Toni Faber für diesen wirklich künstlerisch großartigen Beitrag. Gibt es ein schöneres Kompliment für Kunst, als dass die ganze Stadt hoch emotionalisiert über sie spricht? Ist nicht genau das die Aufgabe von Kunst?

Um 21:00 feiert die Gemeinde mit Kardinal Schönborn die Osternacht und die Auferstehung.

https://www.dompfarre.info/client/downloads/Die_Woche/Karwoche%20und%20Ostern.pdf

https://www.dersonntag.at/artikel/fastentuch-gottfried-helnwein/

ALBERTINA, Wien © Katharina Grosse / Bildrecht, Wien 2023
Foto © Sandro E. E. Zanzinger Photographie 2023

In der Albertina wird frühlingshafter Museumsbetrieb sein. Die Ausstellung „Warum drei Töne kein Dreieck bilden“ von Katharina Grosse wird dort allerdings auch nur noch bis am Montag, dem 1. April zu sehen sein.

Für 14:30 bis 15:30 haben wir in der Albertina mit Mag. Friederike Lassy-Beelitz von der Albertina Kunstvermittlung eine Spezialführung organisiert. Die Führung kostet für uns alle zusammen 125,–. Diesen Betrag teilen wir auf alle Teilnehmer auf. Wir sind maximal 12 Personen.

Wenn Du keine Mitgliedskarte der Albertina hast: Das ermäßigte Gruppenticket zu 15.90 EUR pro Person bekommen wir, wenn wir mind. 10 Tickets auf einmal an der Kassa bezahlen. Dazu treffen wir uns um 14:15 bei der Kassa der Albertina.

Anmeldungen für die Spezialführung in der Albertina bitte formfrei an harald@preyer.wien.

https://www.albertina.at/site/assets/files/19785/pm_grosse_de_final.pdf

Um 20:30 werden wir dann in unserer Pfarre St. Benedikt am Leberberg in Simmering die Auferstehung mitfeiern.

Am Ostersonntag und am Ostermontag um 12:00 Uhr werde ich Ministrant im Stephansdom und Yuliya vermutlich mit Teddy im Park sein.

Ist ChatGPT der „bessere“ Künstler? 

Kann KI Kunst schaffen? Gespräche mit Künstlern, Galeristen, Betrachtern anlässlich der ART VIENNA in der Schönbrunner Orangerie und ein Besuch bei Hermann Staudinger auf der Rieglerhütte.

Wien, 17.9.2023, Harald Preyer

„Die Frage könnte verstören und von den Ausstellern als Provokation verstanden werden“, warnen mich Kollegen im Vorfeld meines Besuches der Art Vienna. „Genau das will ich ja“ denke ich mir: Eine Pro-Vocation – ein „Für-Etwas-Rufen“. Es könnten Streitgespräche werden, oder auch Versuche einer Annäherung. Dabei habe ich mir den Titel nur geliehen. Das war der Arbeitstitel einer Abgeordneten zum Nationalrat für ein Gespräch mit Freunden im Palais Epstein in der letzten Woche. Dort meinte denn auch sinngemäß der nach 23 Jahren abtretende Rektor der Angewandten Gerald Bast: „Im Idealfall kann Künstliche Intelligenz Künstlern den Rücken freihalten und einfache Routineaufgaben für sie erledigen, damit sie Zeit für das Wesentliche, für Fantasie und Inspiration haben.“

Vor einem Bild im vorletzten Raum in der tropisch warmen Orangerie steht verzückt eine junge Frau als würde sie gerade in einen Ozean aus Kobaltblau mit orangem Farbklecks eintauchen.

Gottfried Mairwöger, Réunion, 1998,
Öl auf Leinen, 150 x 130 cm

„Was macht das Bild mit Ihnen?“ frage ich sie leise, weil ich sie nicht aus ihrer Trance wecken wollte. „Oh. Es liebt mich. Ich liebe es. Ich bin grad weit weg und nah dran. Spüren Sie es auch? Das ist der Fluchtpunkt der Sehnsucht, der Hoffnungsstrahl aus dem Jenseits, das Ziel meiner Träume. Meine Sehnsucht hat ein Zuhause.“ Da ist ein Funke übergesprungen, wie ein Künstler später an diesem Nachmittag sagen wird.

„Es muss doch nicht alles immer perfekt sein. Menschen machen halt auch Fehler. Das macht sie ja gerade menschlich. Und das ist der Unterschied zwischen Mensch und Maschine“, meint eine Kunsthändlerin, der ich die Titelfrage stelle. „Künstliche Intelligenz ist ja schon uralt. Sie gibt es im Web seit wir die Möglichkeit haben, auf das Wissen der Welt von unserem Computer zuzugreifen. Das ermöglicht uns vergleichende Betrachtung von Gedanken, Konzepten und Kunstwerken zu einem Stichwort. Wir können aus viel Ähnlichem unser Eigenes schaffen und damit andere konfrontieren. Das ist Kunst“, erklärt mir eine Universitätsdozentin, die auch mit Kunst handelt.

„Der Betrachter kann unsere Installation betreten, Teil des Raumes werden. Wir schaffen mit unterschiedlichen Programmen neue Wirklichkeiten, die wir zu einer kompletten Webseite zusammenfügen. Die ganze Seite verkaufen wir dann an den Sammler. Er kann die URL in seiner Kommunikation nutzen und damit seinen Freunden und Kunden den Schlüssel zu neuen Räumen öffnen“ schwärmt ein Kunsthändler aus Oberösterreich, der in Wien eine Galerie betreibt. Ich betrete auf meinem Handy einen dieser Kunsträume und lausche der beschwörenden Göttin aus einer anderen Welt mit ihrem „Appell an die Menschlichkeit“. Ihr Gesicht erinnert mich an einen Fantasy-Film. Ihre Gedanken haben eine Ordnung und Klarheit, die mich beeindrucken. „Alles mit Künstlicher Intelligenz zusammengefunden“ meint der Schöpfer der Seite stolz.

Nach etwas mehr als zwei Stunden und intensiven Interviews mit unterschiedlichsten Menschen freue ich mich an diesem strahlenden warmen September Nachmittag auf den kühlen Wald. Wir wollen noch Hermann Staudinger, einen lieben Freund und seit mehr als 30 Jahren Künstler, in seinem Haus nahe der Rieglerhütte besuchen. Er hat selbst am Freitag ein Bild zur Eröffnung der Messe ausgestellt. Im angenehm entspannten fokussierten Gespräch erzählt er mir zwei Geschichten, die sein Leben beeinflusst haben.

 

Hermann Staudinger, Im Auer-Welsbach-Park in Wien, Baum-Bild in Gold

Bei einer Ausstellung in New York betrachtete er ein Bild mit einem schwarzen Quadrat, ein „Black Painting“ von Ad Reinhardt. „Da hat sich wieder einmal einer am Schwarzen Quadrat von Kasimir Malewitsch versucht, dachte ich mir am Anfang. Dann habe ich genauer hingesehen. Es waren in Wirklichkeit mehrere Quadrate mit unterschiedlichen Nuancen von Schwarz. Schwarz mit einem zarten Blau, mit rot. Das Bild hatte eine Tiefe, wie ich sie noch nie gesehen habe.“ In Paris im Louvre musste ihm seine charmante Frau Elke versprechen, dass sie nicht die Mona Lisa besuchen würden. Nach einem langen Tag blieb ihnen am Ende noch eine Stunde übrig und sie waren gerade nahe bei Leonardo da Vinci. Es lag also doch nahe, noch einen kurzen Blick auf das wahrscheinlich berühmteste Bild der Welt zu werfen, an dem der Künstler ja sein ganzes Leben lange gearbeitet haben soll. „Die junge Frau hat mir direkt ins Herz geschaut. Sie hat mich berührt wie kein Bild vorher und nachher.“

Mona Lisa (La Gioconda), Leonardo da Vinci, 1503–1506, Musée du Louvre, Paris

Liegt das am zarten Lächeln mit geschlossenem Mund? Sind es die nicht ausgeführten Umrisse (sfumato)? Oder hat der Meister der italienischen Renaissance sein Vermächtnis in das Bild gelegt und das Rezept dazu in sein Grab mitgenommen? Bei Leonardos Tod, im Jahr 1519, befand sich das Bild jedenfalls in seinem Besitz, wurde also niemals dem Auftraggeber abgeliefert. Bei Hermann ist in beiden Fällen ein Funke übergesprungen, der ihn spüren ließ, was er nie vorher empfunden hat. Ist es das? Ist dieser Funke das, was Kunst von Handwerk unterscheidet?

„Kann man diesen Funken vermessen, mathematisch beschreiben?“ wollte der sympathische Linzer Architekt wissen, der seit Beginn unseres Gespräches Zigarre rauchend an der Ecke des Tisches saß und nichts sagte, nur interessiert zuhörte. „Wenn man es nämlich nicht als Algorithmus beschreiben kann, dann wird Künstliche Intelligenz es nicht erschaffen können“, zitierte er stolz seinen Nachzügler, der an der Universität Informatik studiert.