„Wenn wir über das nicht mehr lachen können, was uns jemals heilig war, dann war es uns nie heilig.“
Wer ins Kabarett Simpel geht, der ist darauf gefasst, dass mit Ironie – teils auch mit Sarkasmus – Glaubenssätze und Weltbilder in Frage gestellt, bestätigt, verhöhnt und verulkt werden. Wenn es dabei um so Unbedeutendes wie die Österreichische Innenpolitik geht, dann ist das charmant und witzig.
Wenn es um die Bibel geht, frage ich mich kritisch gespannt, ob die drei Landsleute in Unterhosen diesem großen Stoff gerecht werden können.
Um es vorweg zu nehmen: Schauspielerisch und vom professionellen Anspruch her, das meist gelesene Buch der Welt drastisch verkürzt und pointiert in knappen zwei Stunden auf die Kabarett-Bühne zu bringen, das gelingt ihnen meisterlich.
Thomas Gassner, Bernhard Wolf und Markus Oberrauch gastieren ab Januar 2016 für neun Abende im Kabarett Simpl in Wien. Und ich wünsche den Dreien viele viele kritische Zuseher.
Inhaltlich habe ich den Abend differenziert erlebt. Eine stehende Schlange in der Genesis kommt nicht gut und sie ist so wenig verführerisch wie ein abgestandenes Glas Bier nach drei Tagen. Adam und Eva so etwas wie Zufälligkeit zu unterstellen, wird dem großen Thema „Begierde“ halt so gar nicht gerecht.
Fast schon ohnmächtig auch ein wild um sich klatschender Dornbusch in der Szene von der Begegnung zwischen Gott und Moses im brennenden Dornbusch. Undifferenziert auch hier das Zitat, das Gott selbst sagen soll. Er sagt: „Ich bin der ich bin da…“ Und damit betont er den Präsens Gottes, seine Gegenwart in unserem Leben hier, heute und jetzt. Das kommt auf der Bühne ganz patschert und falsch rüber.
Am Ende des ersten Aktes die Frage ins Publikum: „Was fehlt Euch noch?“
Ich saß zu weit hinten, um rauszurufen: „Daniel in der Löwengrube. Samuel. Jesaja, das Hohelied – die Botschaft!“
Neues Testament – zweiter Akt!
Ein Kompliment den Schauspielern, dass keiner von den Dreien Jesus verkörpert hat. Genial auch, das Neue Testament satirisch darzustellen ohne dass Jesus selbst jemals die Bühne betritt. Das zeugt von Bescheidenheit und Demut.
Genial auch die Zeitraffer-Bilder der Passion. Wirklich genial. Die Auferstehung – das zentrale Element des Christentums fehlt völlig. Und damit fehlt die zentrale Botschaft. Wahrscheinlich weil das auch genau jenes Element der Bibel ist, das über jedes Kabarett erhaben ist. Da gibt es nichts zu lachen. Da regiert wohl die kindliche Dankbarkeit.
Ende des Kabaretts mit dem Bekenntnis des ungläubigen Thomas. Dafür habe ich auch gerne einen Zwischenapplaus gegeben. Dem Endapplaus wollte ich nicht zustimmen. Vielleicht auch, weil meine reflektierte Schweizer Kollegin schon den ganzen Abend schweigsam die Darbietung beobachtet hat und dann sehr bescheiden einfach nur meinte: „Witzig und sehr flach, das Ganze…“
Während der Premierenfeier entstand dann noch eine sehr kontroversielle Diskussion zwischen Freunden mit unterschiedlichen Hintergründen: Atheisten, Agnostiker, Gläubigen, reflektiert Toleranten. Gemeinsamer Tenor aller Beteiligten: Anschauen, manchmal klatschen, manchmal BuuuuuH rufen.
Auf einer Sechser Skala:
5,5 für die schauspielerische Leistung
3,5 für die inhaltliche Beschäftigung mit dem Buch der Bücher
6,0 für die Regie
4,0 für das puristische Bühnenbild
5,0 Gesamt