„Liebe, aber sei vorsichtig, was du liebst“

Liebe und Verlust: Hannah Arendt und der fundamentale Schrecken des Verlusts

Eine kleine Nachlese bei Hannah Arendt und Augustinus von Harald Preyer
Wien, am 2.6.2024

„Liebe, aber sei vorsichtig, was du liebst“, schrieb der römisch-afrikanische Philosoph Augustinus in den letzten Jahren des vierten Jahrhunderts. In gewisser Weise sind wir das, was wir lieben – wir werden es, so wie es uns wird, heraufbeschworen aus unseren unzähligen bewussten und unbewussten Sehnsüchten, Verzweiflungen und Mustern der Begierde. Dennoch ist da etwas zutiefst Paradoxes in dem Aufruf zur Vernunft in der Vorstellung, dass wir Vorsicht walten lassen können in Liebesangelegenheiten – geliebt zu haben bedeutet, das Korsett der Irrationalität zu kennen, das selbst über den willensstärksten Verstand schlüpft, wenn das Herz mit seiner köstlichen Sorglosigkeit übernimmt.

Wie man Augustinus‘ Vorsicht beherzigt, nicht durch Unterwerfung, sondern durch besseres Verständnis unserer Erfahrung der Liebe, erforscht Hannah Arendt (14. Oktober 1906 – 4. Dezember 1975) in ihrem wenig bekannten, aber in vieler Hinsicht schönsten Werk, „Liebe und Augustinus“ – Arendts erstes Buchmanuskript und das letzte, das auf Englisch veröffentlicht wurde, posthum gerettet aus ihren Papieren von der Politikwissenschaftlerin Joanna Vecchiarelli Scott und der Philosophin Judith Chelius Stark.

In den fünf Jahrzehnten, nachdem sie es 1929 als ihre Doktorarbeit geschrieben hatte – eine Zeit, in der diese Apostelin der Vernunft, die eine der schärfsten und kühlsten analytischen Köpfe des zwanzigsten Jahrhunderts werden sollte, ihre feurigen Liebesbriefe an Martin Heidegger verfasste – überarbeitete und annotierte Arendt das Manuskript obsessiv. An Augustinus‘ Schleifstein schärfte sie ihre zentralen philosophischen Ideen – hauptsächlich die problematische Diskrepanz, die sie zwischen Philosophie und Politik sah, wie sie durch den Aufstieg von Ideologien wie dem Totalitarismus belegt wurde, dessen Ursprünge sie so denkwürdig und eindringlich untersuchte. Von Augustinus übernahm sie den Ausdruck amor mundi – „Liebe zur Welt“ –, der ein prägendes Merkmal ihrer Philosophie werden sollte. Beschäftigt mit Fragen, warum wir dem Bösen erliegen und es normalisieren, identifizierte Arendt als Wurzel der Tyrannei den Akt, andere Menschen irrelevant zu machen. Immer wieder kehrte sie zu Augustinus für das Gegenmittel zurück: die Liebe.

Doch während diese alte Vorstellung von Nächstenliebe, die Martin Luther King, Jr. inspirieren sollte, zentral für Arendts philosophische Besorgnis und ihr Interesse an Augustinus war, ist ihre politische Bedeutung untrennbar von der tiefsten Quelle der Liebe: dem Persönlichen. Bei all der politischen und philosophischen Weisheit, die sie daraus zieht, wird Augustinus‘ „Bekenntnisse“ von seiner Erfahrung persönlicher Liebe belebt – jene ewige Kraft, die die Sonne und den Mond und die Sterne unserer inneren Leben regiert, reflektiert und kodifiziert in unseren kulturellen und sozialen Strukturen.

Mit einem Auge auf Augustinus‘ Vorstellung von Liebe als „eine Art Verlangen“ – das lateinische appetitus, von dem sich das Wort „Appetit“ ableitet – und seiner Behauptung, dass „lieben in der Tat nichts anderes ist als etwas um seiner selbst willen zu begehren“, betrachtet Arendt dieses richtungsweisende Verlangen, das die Liebe antreibt:

„Jedes Verlangen ist an ein bestimmtes Objekt gebunden, und es bedarf dieses Objekts, um das Verlangen selbst zu entfachen und ihm somit ein Ziel zu geben. Das Verlangen wird durch das bestimmte Gegebene bestimmt, das es sucht, so wie eine Bewegung durch das Ziel bestimmt wird, auf das sie sich zubewegt. Denn, wie Augustinus schreibt, ist Liebe ‚eine Art Bewegung, und jede Bewegung ist auf etwas gerichtet‘. Was die Bewegung des Begehrens bestimmt, ist immer zuvor gegeben. Unser Verlangen zielt auf eine Welt, die wir kennen; es entdeckt nichts Neues. Das, was wir kennen und begehren, ist ein ‚Gut‘, andernfalls würden wir es nicht um seiner selbst willen suchen. Alle Güter, die wir in unserer suchenden Liebe begehren, sind unabhängige Objekte, die in keiner Beziehung zu anderen Objekten stehen. Jedes von ihnen stellt nichts anderes dar als seine isolierte Güte. Das charakteristische Merkmal dieses Gutes, das wir begehren, ist, dass wir es nicht haben. Sobald wir das Objekt haben, endet unser Verlangen, es sei denn, wir sind von seinem Verlust bedroht. In diesem Fall verwandelt sich das Verlangen zu haben in die Angst zu verlieren. Als Suche nach dem bestimmten Gut statt nach zufälligen Dingen ist das Begehren eine Kombination aus ‚Zielen auf‘ und ‚Zurückverweisen auf‘. Es verweist zurück auf den Einzelnen, der das Gute und Böse der Welt kennt und glücklich leben will. Es ist, weil wir das Glück kennen, dass wir glücklich sein wollen, und da nichts sicherer ist als unser Wunsch, glücklich zu sein, leitet uns unsere Vorstellung von Glück bei der Bestimmung der jeweiligen Güter, die dann zu Objekten unserer Begierden werden. Verlangen oder Liebe ist die menschliche Möglichkeit, das Gut zu erlangen, das ihn glücklich machen wird, das heißt, das zu erlangen, was ihm am meisten eigen ist.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Deshalb kann eine großzügige und unbesitzergreifende Liebe – eine Liebe, die durch das Scheitern, das begehrte Gut zu erlangen, nicht vermindert wird – wie eine Leistung erscheinen, die nichts weniger als übermenschlich ist. („Wenn gleiche Zuneigung nicht sein kann, / Lass mich der liebevollere sein“, schrieb Arendts guter Freund und großer Bewunderer W.H. Auden in seiner erhabenen Ode an diesen übermenschlichen Triumph des Herzens.) Aber eine Liebe, die auf Besitz basiert, warnt Arendt, verwandelt sich unvermeidlich in Angst – die Angst, das Gewonnene zu verlieren. Zwei Jahrtausende nachdem Epiktet seine Heilung für Liebeskummer im Akzeptieren, dass alle Dinge vergänglich sind und daher auch die Liebe mit den losen Fingern der Nicht-Anhaftung gehalten werden sollte, angeboten hatte, schreibt Arendt – die Augustinus‘ Schuld an den Stoikern bemerkt:

„Solange wir zeitliche Dinge begehren, sind wir ständig dieser Bedrohung ausgesetzt, und unsere Angst zu verlieren entspricht immer unserem Wunsch zu haben. Zeitliche Güter entstehen und vergehen unabhängig vom Menschen, der durch sein Begehren an sie gebunden ist. Ständig durch Verlangen und Angst an eine Zukunft voller Ungewissheiten gebunden, berauben wir jeden gegenwärtigen Moment seiner Ruhe, seines intrinsischen Wertes, den wir nicht genießen können. Und so zerstört die Zukunft die Gegenwart.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Ein halbes Jahrhundert nach Tolstois Ermahnung, dass „zukünftige Liebe nicht existiert [denn] Liebe ist nur eine gegenwärtige Aktivität“, fügt Arendt hinzu:

„Die Gegenwart wird nicht durch die Zukunft als solche bestimmt… sondern durch bestimmte Ereignisse, die wir von der Zukunft hoffen oder fürchten, und die wir entsprechend begehren und verfolgen oder meiden und vermeiden. Glück besteht im Besitz, im Haben und Halten unseres Gutes, und noch mehr darin, sicher zu sein, es nicht zu verlieren. Traurigkeit besteht darin, unser Gut verloren zu haben und diesen Verlust zu ertragen. Doch für Augustinus wird das Glück des Habens nicht von der Traurigkeit, sondern von der Angst des Verlusts kontrastiert. Das Problem des menschlichen Glücks ist, dass es ständig von Angst heimgesucht wird. Es geht nicht um das Fehlen des Besitzes, sondern um die Sicherheit des Besitzes.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Der Tod ist natürlich der ultimative Verlust – sowohl der Liebe als auch des Lebens – und daher das ultimative Objekt unserer zukunftsorientierten Angst. Und doch ist diese Flucht vor der Gegenwart durch das Portal der Angst – vielleicht die häufigste Krankheit, der Menschen unterliegen – selbst ein lebender Tod. Arendt schreibt:

„In ihrer Angst vor dem Tod fürchten diejenigen, die leben, das Leben selbst, ein Leben, das zum Sterben verurteilt ist… Die Weise, in der das Leben sich selbst kennt und wahrnimmt, ist Sorge. So wird das Objekt der Angst zur Angst selbst. Selbst wenn wir annehmen sollten, dass es nichts zu fürchten gibt, dass der Tod kein Übel ist, bleibt die Tatsache der Angst (dass alle Lebewesen den Tod scheuen).“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Vor diesem Hintergrund des negativen Raums zeichnet Arendt die Form des ultimativen Objekts der Liebe nach Augustinus:

„Furchtlosigkeit ist, was die Liebe sucht. Liebe als Verlangen wird durch ihr Ziel bestimmt, und dieses Ziel ist Freiheit von Angst.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

In einem Gefühl, das den zentralen Mechanismus beleuchtet, durch den Frustration (vorübergehende) Zufriedenheit in der romantischen Liebe befeuert, fügt sie hinzu:

„Eine Liebe, die etwas Sicheres und Verfügbares auf der Erde sucht, ist ständig frustriert, weil alles dem Untergang geweiht ist. In dieser Frustration kehrt sich die Liebe um und ihr Objekt wird eine Negation, so dass nichts mehr begehrt wird außer Freiheit von Angst. Eine solche Furchtlosigkeit existiert nur in der völligen Ruhe, die nicht mehr durch erwartete Ereignisse der Zukunft erschüttert werden kann.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Wenn Gegenwart – das Entfernen von Erwartungen – eine Voraussetzung für eine wahre Erfahrung der Liebe ist, dann ist Zeit die elementare Infrastruktur der Liebe. Fast ein halbes Jahrhundert später, als sie die erste Frau wurde, die in der 85-jährigen Geschichte der Gifford Lectures die prestigeträchtige Vorlesungsreihe hielt, würde Arendt diese Vorstellung von Zeit als den Ort unseres denkenden Egos zum Mittelpunkt ihres bahnbrechenden Vortrags „Das Leben des Geistes“ machen. Nun, indem sie aus Augustinus‘ Schriften zitiert, betrachtet sie das Paradoxon der Liebe jenseits der Zeit für Geschöpfe, die so zeitlich sind wie wir:

„Selbst wenn die Dinge bestehen bleiben sollten, tut es das menschliche Leben nicht. Wir verlieren es täglich. Während wir leben, ziehen die Jahre durch uns hindurch und sie nagen uns zu Nichts. Es scheint, dass nur die Gegenwart real ist, denn ‚vergangene und zukünftige Dinge sind nicht‘; aber wie kann die Gegenwart (die ich nicht messen kann) real sein, da sie keinen ‚Raum‘ hat? Das Leben ist immer entweder nicht mehr oder noch nicht. Wie die Zeit kommt das Leben ‚aus dem Noch-nicht, geht durch das Ohne-Raum, und verschwindet in das Nicht-mehr‘. Kann man sagen, dass das Leben überhaupt existiert? Dennoch misst der Mensch die Zeit. Vielleicht besitzt der Mensch einen ‚Raum‘, in dem die Zeit lange genug bewahrt werden kann, um gemessen zu werden, und würde dieser ‚Raum‘, den der Mensch mit sich trägt, nicht sowohl das Leben als auch die Zeit übersteigen?“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Zeit existiert nur, insofern sie gemessen werden kann, und der Maßstab, mit dem wir sie messen, ist der Raum.

Für Augustinus, merkt sie an, ist das Gedächtnis der Raum, in dem die Zeit gemessen und gespeichert wird:

„Das Gedächtnis, das Lagerhaus der Zeit, ist die Gegenwart des ‚Nicht-mehr‘ (iam non), wie die Erwartung die Gegenwart des ‚Noch-nicht‘ (nondum) ist. Daher messe ich nicht das, was nicht mehr ist, sondern etwas in meinem Gedächtnis, das darin fixiert bleibt. Es ist nur durch die Herbeirufung der Vergangenheit und Zukunft in die Gegenwart des Erinnerns und Erwartens, dass die Zeit überhaupt existiert. Daher ist die einzige gültige Zeitform die Gegenwart, das Jetzt.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Eines der großen Themen, die ich in Figuring untersuche, ist diese Frage der Zeitlichkeit selbst unserer üppigsten Erfahrungen. „Die Vereinigung zweier Naturen für eine Zeit ist so groß“, schrieb Margaret Fuller – eine meiner zentralen Figuren. Sollen wir verzweifeln oder uns freuen über die Tatsache, dass selbst die größten Lieben nur „für eine Zeit“ existieren? Die Zeitskalen sind elastisch, sie dehnen und kontrahieren sich mit der Tiefe und Größe jeder Liebe, aber sie sind immer endlich – wie Bücher, wie Leben, wie das Universum selbst. Der Triumph der Liebe liegt im Mut und der Integrität, mit der wir die transzendente Vergänglichkeit bewohnen, die zwei Menschen für die Zeit bindet, in der sie gebunden sind, bevor sie mit gleichem Mut und Integrität loslassen. Fullers Ausruf beim ersten Anblick der Gemälde von Correggio, überwältigt von einer Schönheit, die sie zuvor nicht gekannt hatte, strahlt eine größere Wahrheit über das menschliche Herz aus: „Süße Seele der Liebe! Auch von dir würde ich müde werden; aber es war glorreich an jenem Tag.“

Arendt verortet diese grundlegende Tatsache des Herzens in Augustinus‘ Schriften. Ein Jahrhundert nachdem Kierkegaard behauptete, dass „der Augenblick nicht richtig ein Atom der Zeit, sondern ein Atom der Ewigkeit ist“, stellt sie fest:

„Das Jetzt ist das, was die Zeit rückwärts und vorwärts misst, weil das Jetzt, streng genommen, nicht die Zeit ist, sondern außerhalb der Zeit. Im Jetzt treffen Vergangenheit und Zukunft aufeinander. Für einen flüchtigen Moment sind sie gleichzeitig, so dass sie vom Gedächtnis gespeichert werden können, das sich an Vergangenes erinnert und die Erwartung von Zukünftigem hält. Für einen flüchtigen Moment (das zeitliche Jetzt) ist es, als würde die Zeit stillstehen, und es ist dieses Jetzt, das Augustinus‘ Modell der Ewigkeit wird.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Augustinus selbst erfasst diese transzendente Zeitlichkeit:

„Wer wird [das Herz] halten und fixieren, damit es einen Moment stillsteht und für einen Moment den Glanz der Ewigkeit einfängt, die für immer stillsteht, und dies mit zeitlichen Momenten vergleicht, die niemals stillstehen, und sieht, dass es unvergleichlich ist… aber dass in dieser Ewigkeit nichts vergeht, sondern das Ganze präsent ist.“ (Augustinus)

Arendt schärft den Kern des Paradoxons:

„Was den Menschen daran hindert, im zeitlosen Jetzt zu ‚leben‘, ist das Leben selbst, das niemals ’stillsteht‘. Das Gute, nach dem die Liebe verlangt, liegt jenseits aller bloßen Wünsche. Wenn es nur eine Frage des Begehrens wäre, würden alle Wünsche in Angst enden. Und da alles, was das Leben von außen als Objekt seines Begehrens konfrontiert, um des Lebens willen gesucht wird (ein Leben, das wir verlieren werden), ist das ultimative Objekt aller Wünsche das Leben selbst. Das Leben ist das Gut, das wir suchen sollen, nämlich das wahre Leben.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Sie kehrt zum Begehren zurück, das uns gleichzeitig aus dem Leben herausführt und in es hinein stürzt:

„Das Begehren vermittelt zwischen Subjekt und Objekt, und es vernichtet die Distanz zwischen ihnen, indem es das Subjekt in einen Liebenden und das Objekt in das Geliebte verwandelt. Denn der Liebende ist niemals isoliert von dem, was er liebt; er gehört dazu… Da der Mensch nicht selbstgenügsam ist und daher immer etwas außerhalb seiner selbst begehrt, kann die Frage, wer er ist, nur durch das Objekt seines Begehrens und nicht, wie die Stoiker dachten, durch die Unterdrückung des Begehrens selbst gelöst werden: ‚So ist jeder, wie seine Liebe ist‘ [schrieb Augustinus]. Streng genommen ist er, der überhaupt nicht liebt und begehrt, ein Niemand.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

[…]

„Der Mensch als solcher, sein Wesen, kann nicht definiert werden, weil er immer danach strebt, zu etwas außerhalb seiner selbst zu gehören und sich entsprechend verändert… Wenn er überhaupt eine wesentliche Natur haben könnte, wäre es der Mangel an Selbstgenügsamkeit. Daher wird er durch Liebe angetrieben, aus seiner Isolation auszubrechen… für das Glück, das die Umkehrung der Isolation ist, ist mehr erforderlich als bloßes Zugehören. Glück wird nur erreicht, wenn das Geliebte ein dauerhaftes inhärentes Element des eigenen Seins wird.“ (Hannah Arendt, Liebe und Augustinus)

Es ist erstaunlich, die Linie dieser Ideen im Leben von Arendts Denken zu verfolgen. Jahrzehnte nach ihren Doktortagen würde sie ihre einflussreiche Abhandlung darüber verfassen, wie Tyrannen Isolation als Waffe der Unterdrückung verwenden – Totalitarismus ist mit anderen Worten nicht nur die Verweigerung der Liebe, sondern ein Angriff auf das Wesen der menschlichen Wesen.

Im Rest von Liebe und Augustinus untersucht Arendt Augustinus‘ Hierarchie der Liebe, die psychologische Struktur des Verlangens, die Gefahren der Erwartung und die Bausteine jener „Liebe zur Welt“, die für ein harmonisches Leben und eine harmonische Gesellschaft so wichtig ist. Kombiniere dies mit Elizabeth Barrett Browning über Glück als moralische Verpflichtung und besuche dann erneut Arendts Überlegungen zu Handlung und Streben nach Glück, Lügen in der Politik, die Macht des Außenseiters und den Unterschied zwischen der Art und Weise, wie Kunst und Wissenschaft die menschliche Bedingung erleuchten.


Quellen:

  • Hannah Arendt, Liebe und Augustinus
  • Augustinus, Bekenntnisse
  • Epiktet, Handbuch der Moral
  • W.H. Auden, If equal affection cannot be

Ostern 2024

Ich habe versucht, zu reflektieren, warum Ostern 2024 für mich eines meiner bisher schönsten Osterfeste war. Ich weiß es nicht sicher. Ich habe nur einige Vermutungen dazu:

Einen Monat vorher sind wir aus einer nicht mehr leistbaren Wohnung in Hietzing in die Eigentumswohnung meiner Kinder in Simmering übersiedelt. Wir sparen uns also viel Miete und unser Leben ist jetzt leistbar. Für die Übersiedelung haben uns zahlreiche wirklich gute Freunde mit ihren guten Wünschen, mit Sach- und Geldspenden, mit ihren Gebeten unterstützt. Wir waren nicht zu stolz, um Hilfe zu bitten und uns wurde im Übermaß geholfen. Gottes Liebe wurde spürbar und greifbar.

Die Pfarre Ober St. Veith war 15 Minuten entfernt und die Herzen der Menschen waren schwer erreichbar. Die Pfarre St. Benedikt liegt auf der anderen Straßenseite und etliche Pfarrmitglieder waren bereits bei uns zum Cafétrinken und Kennenlernen.

Nach den völlig unterschiedlichen Liturgien, die ich hier in St. Benedikt und im Stephansdom aus nächster Nähe mitfeiern durfte, war die verbindende Klammer jeden Tag die Homilie meines Freundes, P. Johannes Paul Abrahamowicz, Priestermönch in St. Göttweig. Ich bin froh und dankbar, dass ich mit so großartigen Priestern im Freundeskreis reicht beschenkt bin.

Ostern 2024 war für mich das erste Ostern, bei dem ich abwechselnd in meiner neuen Heimatpfarre St. Benedikt am Leberberg in Simmering und im Stephansdom als Ministrant dienen durfte. Natürlich bin ich in diesem Dienst hier wie dort leicht ersetzbar. Erstmals in meinem Leben sehe ich diese Ersetzbarkeit aber nicht als Bedrohung sondern als Freude. Sie zeigt, dass es viele Brüder und Schwestern gibt, die meine Haltung teilen. Mir fällt auf, dass ich mit Freude davon spreche „Ministrant“ zu sein. Bisher sagte ich immer, ich sei Lektor, Kommunionhelfer und Akolyth. „Ministrieren“ war für mich ein Dienst für Kinder…. „Lasst die Kinder zu mir kommen…“

Seit einer Woche lebt unser vier Monate alter Chow Chow Teddy mit uns. Er ist eine echte Bereicherung. Ich bin mit Hunden aufgewachsen. Ich habe aber nie einen Hund erlebt, der vom ersten Moment an, so unkompliziert, vertraut, liebevoll, herzlich und ruhig war. Yuliya und ich teilen uns erstmals die Verantwortung für ein Lebewesen. Das ist eine wunderschöne Bereicherung und Freude für uns.

In Hietzing gibt es große Flächen, die innerhalb von privaten Arealen liegen und daher nur für die Eigentümer zugänglich sind. In Simmering gibt es kleine Flächen, die einzelnen Familien gehören, dafür viel Platz für alle Menschen, die hier leben. In Hietzing hatten wir zwei U-Bahnstationen entfernt den Lainzer Tiergarten. Hier haben wir vor der Haustüre einige kleine Parks mit lieben Menschen, die wir sehr schnell besser kennen- und schätzen gelernt haben.

Wir sind gesegnet mit Menschen, die uns mögen. In Hietzing habe ich in zehn Jahren nicht mehr als fünf Nachbarn so weit kennengelernt, dass ich wusste, wie sie mit Vor- und Nachnamen heissen. Hier in St. Benedikt kenne ich nach vier Wochen von mehr als zehn Nachbarn ihre Lebensgeschichte.

 

Ich hoffe, dass die drei Homilien von P. Johannes Paul hier gut hörbar sind. Ich bin mit dem Einbetten von Audio Files in WordPress noch nicht so fit. Die Originaldateien sind jedenfalls perfekt hörbar.

 

  •  

Ostern 2024 – Kunst

Grabesruhe, Kunst und Auferstehung

Was hältst Du davon, am Ostersamstag in den letzten Stunden bevor Christen auf der ganzen Welt die Auferstehung Jesu Christi feiern in den Stephansdom oder in die Albertina oder in beide zu kommen?

Im Stephansdom herrscht an diesem Tag Grabesruhe. Das Fastentuch von Gottfried Helnwein wird nur noch wenige Stunden dort hängen.

Um 08:00 zelebriert unser lieber Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn die Trauermette. Anschließend führt uns mein Freund Florian Bauchinger, geprüfter Domführer, zur Orgelempore. Er nimmt noch zehn Freunde mit. Wenn Du dabei sein willst, schreib‘ mir bitte! Von dort können wir vielleicht sogar zusehen, wie Experten der Dombauhütte das Fastentuch fachgerecht abmontieren. Jedenfalls werden wir ein letztes Mal aus einer einzigartigen Perspektive dieses Gesamtkunstwerk sehen.

Vielen Dank, lieber Herr Dompfarrer Toni Faber für diesen wirklich künstlerisch großartigen Beitrag. Gibt es ein schöneres Kompliment für Kunst, als dass die ganze Stadt hoch emotionalisiert über sie spricht? Ist nicht genau das die Aufgabe von Kunst?

Um 21:00 feiert die Gemeinde mit Kardinal Schönborn die Osternacht und die Auferstehung.

https://www.dompfarre.info/client/downloads/Die_Woche/Karwoche%20und%20Ostern.pdf

https://www.dersonntag.at/artikel/fastentuch-gottfried-helnwein/

ALBERTINA, Wien © Katharina Grosse / Bildrecht, Wien 2023
Foto © Sandro E. E. Zanzinger Photographie 2023

In der Albertina wird frühlingshafter Museumsbetrieb sein. Die Ausstellung „Warum drei Töne kein Dreieck bilden“ von Katharina Grosse wird dort allerdings auch nur noch bis am Montag, dem 1. April zu sehen sein.

Für 14:30 bis 15:30 haben wir in der Albertina mit Mag. Friederike Lassy-Beelitz von der Albertina Kunstvermittlung eine Spezialführung organisiert. Die Führung kostet für uns alle zusammen 125,–. Diesen Betrag teilen wir auf alle Teilnehmer auf. Wir sind maximal 12 Personen.

Wenn Du keine Mitgliedskarte der Albertina hast: Das ermäßigte Gruppenticket zu 15.90 EUR pro Person bekommen wir, wenn wir mind. 10 Tickets auf einmal an der Kassa bezahlen. Dazu treffen wir uns um 14:15 bei der Kassa der Albertina.

Anmeldungen für die Spezialführung in der Albertina bitte formfrei an harald@preyer.wien.

https://www.albertina.at/site/assets/files/19785/pm_grosse_de_final.pdf

Um 20:30 werden wir dann in unserer Pfarre St. Benedikt am Leberberg in Simmering die Auferstehung mitfeiern.

Am Ostersonntag und am Ostermontag um 12:00 Uhr werde ich Ministrant im Stephansdom und Yuliya vermutlich mit Teddy im Park sein.

Gesund leben

Gesunde Gedanken

Das Gesetz der Anziehung lässt sich also nicht nur auf materielle Dinge anwenden, sondern auch auf unsere Emotionen. Aber was ist mit dem Körper? Immerhin wünschen sich viele Menschen, sie könnten ein paar Kilo abnehmen. So etwas kann man sich doch nicht vom Universum wünschen, oder? Und ob. Auch hier sieht die Autorin den Schlüssel zum Erfolg in positiven Gedanken. 

Viele Diäten scheitern, weil sie unseren Fokus auf negative Gedanken lenken wie: „Ich möchte nicht dick sein.“ Das nährt die Überzeugung, das Essen kontrolliere unseren Körper. 

Das ist erstens bedauerlich, denn du solltest dein Leben nicht in Angst und Sorge verbringen, schon gar nicht in Sorge über jede einzelne Kalorie. Zweitens ist das so nicht richtig. Nicht das Essen kontrolliert deinen Körper – sondern du. Du willst zu jenen Menschen gehören, die essen, worauf sie Lust haben, und trotzdem nicht zunehmen? Dann mach es wie sie: Hör auf, ständig ans Zunehmen zu denken.

Das bringt uns zurück zum schöpferischen Prozess. Der erste Schritt auf dem Weg zu deinem Wohlfühlkörper ist die Anfrage. Dann brauchst du den Glauben daran, dass du wirklich diese Figur oder jenes Gewicht erreichen wirst. Anschließend empfängst du die positive Antwort auf dein Gesuch: Du genießt das erlösende Gefühl, schon jetzt mit deinem Körper zufrieden zu sein. Dieses Gefühl hilft dir, deinen Körper zu pflegen und zu lieben.

Aber positive Gedanken können dir nicht nur zu deinem Wunschgewicht verhelfen, sondern auch zu einem Körper, der sich selbst schützen und heilen kann. Immer mehr Menschen erkranken durch psychischen und emotionalen Stress. Und der wurzelt in negativem Denken. Dagegen lassen sich durch positive Gedanken die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren. Deine Gedanken haben also entscheidenden Einfluss auf deine körperliche Gesundheit.

Wir resümieren: Das Gesetz der Anziehung lässt sich auch auf die Gesundheit übertragen, so kann positives Denken beim Abnehmen helfen und die Selbstheilungskräfte stärken.

Wusstest du übrigens, dass dein Körper kontinuierlich alte Zellen durch frische ersetzt? Das bedeutet, dass sich dein Körper alle paar Jahre von Grund auf erneuert. Mit der richtigen Einstellung liegt es an dir, ob das Altern oder Erneuerung und Heilung bedeutet.

aus dem Blink zum Buch, Kernaussage 5

Quellen

The Secret – Das Geheimnis
von Rhonda Byrne (Autor), Karl Friedrich Hörner (Übersetzer

Alle Leser sind im Grunde auf der Suche nach der einen Erkenntnis, die nicht nur ihre intellektuelle Neugier befriedigt, sondern ihnen Anleitung gibt, ihr Leben glücklicher und erfüllter zu gestalten. Diese eine Erkenntnis – „The Secret“, wie Autorin Rhonda Byrne es nennt – war wenigen Auserwählten der Menschheitsgeschichte gegenwärtig. Die Smaragdtafel des Hermes Trismegistos, die Keimzelle aller heute bestehenden esoterischen Systeme, hat es ausgedrückt mit den Worten: „Wie innen, so außen“. Große Geister wie Platon, Leonardo da Vinci und Einstein haben um das Geheimnis gewusst; moderne Autoren wie Neale Donald Walsch und Bärbel Mohr haben in jüngster Zeit eine Millionen-Leserschaft damit inspiriert. „The Secret“, das als Dokumentarfilm schon weltweit erfolgreich lief, beweist in einer überzeugenden Mischung aus Erklärungen der Autorin und Zitaten bekannter Weisheitslehrer die Wahrheit einiger grundlegender Erkenntnisse: Wir sind selbst Schöpfer unserer Realität. Die Dinge, die uns im Alltag begegnen, haben wir durch die eigene Gedankenenergie angezogen. Die Kraft, die wir „Gott“ nennen, war und ist nie wirklich von uns getrennt. Einige Bestsellerautoren schicken ihre Helden auf die spannende Suche nach einem fiktiven Geheimnis. Mit „The Secret“ werden Sie selbst zum Sucher und können einen Schatz finden – nicht fiktiv, sondern wirklich.
Dieses Buch wurde unter dem Filmtitel „The Secret – Traue dich zu träumen“ mit Katie Holmes und Josh Lucas in den Hauptrollen verfilmt.

aus der Rezension bei AMAZON


Siddharta

Hermann Hesse

Eine indische Dichtung, Suhrkamp, 1922

Siddhartha, die weltberühmte Legende von der Selbstbefreiung eines jungen Menschen aus familiärer und gesellschaftlicher Fremdbestimmung zu einem selbständigen Leben, zeigt, daß Erkenntnis nicht durch Lehren zu vermitteln ist, sondern nur durch eigene Erfahrung erworben werden kann.

Für unsere Männerrunde habe ich das Buch in Bildern dargestellt. Dem Inhaltsverzeichnis folgen mögliche Reflexionsfragen zur eigenen Berufung. Ein kurzes Glossar und die Vita von Hermann Hesse mit Bezug zum Buch ergänzen das Skriptum.

Für Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung stelle ich das Skriptum gerne kostenfrei zur Verfügung. Bitte um ein kurzes formfreies Mail an harald@preyer.wien.

60 ½ – noch einmal das Ganze?

Spare Dir einen Coach und frage ChatGPT.

>Morgen werde ich 60 und ein halbes Jahr. Das ist für mich ein guter Anlass, mir Fragen zu stellen, wie ich sie im Coaching meinen Klienten gerne stelle. Wie gestalte ich bewusst und sinnvoll den Rest meines Lebens? 

Wien, am 2.11.2023, Harald Preyer

Gehen wir die Fragen Schritt für Schritt durch. Ich werde versuchen, für jede Frage eine reflektierende Überlegung oder Anleitung zu geben, die Ihnen helfen kann, Ihre eigenen Antworten zu finden.

Wichtigste Lektionen: Denken Sie an Schlüsselmomente oder Wendepunkte in Ihrem Leben. Was haben diese Momente Ihnen beigebracht? Was würden Sie Ihrem jüngeren Selbst raten?

Nicht erfüllte Träume: Jeder hat Wünsche oder Träume, die noch nicht verwirklicht wurden. Welcher Traum brennt immer noch in Ihnen? Warum haben Sie ihn bisher nicht verfolgt und was hindert Sie daran, es jetzt zu tun?

Dinge loslassen: Gibt es etwas, das Sie innerlich belastet? Vielleicht eine alte Enttäuschung, ein Bedauern oder sogar materielle Dinge, die Sie nicht mehr brauchen. Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie es loslassen könnten?

Wissen weitergeben: Ihre Lebenserfahrung ist wertvoll. Könnten Sie in Erwägung ziehen, in Schulen oder Gemeindezentren zu unterrichten, einen Blog zu starten oder sogar noch ein Buch zu schreiben?

Definition von Glück: Denken Sie an Momente, in denen Sie sich wirklich glücklich gefühlt haben. Was hat zu diesem Gefühl beigetragen? Ist es Zeit mit der Familie, oder nur mit Yuliya oder ein erfüllendes Hobby oder vielleicht Zeit in der Natur?

Körperliche und geistige Gesundheit: Was tun Sie bereits für Ihre Gesundheit? Vielleicht könnten Sie Yoga, Meditation oder eine neue Sportart ausprobieren? Auch regelmäßige medizinische Check-ups sind wichtig.

Wichtige Menschen: Wer sind die Menschen, die Sie am meisten schätzen? Wie könnten Sie diese Beziehungen noch intensivieren oder ihnen danken?

Erinnerung: Wie möchten Sie, dass Menschen sich an Sie erinnern? Was für Werte und Prinzipien möchten Sie weitergeben? Welchen Brief schreiben Sie vor Ihrem Tod an die Welt?

Orte und Erfahrungen: Erstellen Sie eine Liste von Dingen, die Sie noch erleben möchten. Es könnte eine Reise, ein Kurs oder etwas völlig Verrücktes sein.

Unterschied machen: Überlegen Sie, wie Sie Ihre Gemeinschaft oder die Welt positiv beeinflussen können. Vielleicht könnten Sie sich ehrenamtlich engagieren oder eine Stiftung gründen.

Empfehlung: Angesichts all dieser Reflexionen empfehle ich Ihnen, einen Lebensplan für das nächste Jahrzehnt zu erstellen. Dieser Plan könnte Ziele, Wünsche und Aktionsschritte enthalten, die Ihnen helfen, ein erfülltes und bedeutungsvolles Leben zu führen. Es könnte auch hilfreich sein, einen Mentor oder Coach zu haben, der Sie bei diesem Prozess unterstützt. Das Wichtigste ist, sich daran zu erinnern, dass es nie zu spät ist, zu wachsen, zu lernen und neue Dinge zu erleben. Nutzen Sie jeden Moment und jede Gelegenheit, die das Leben Ihnen bietet.

Foto: Im Stephansdom kurz vor dem Pontifikalamt zu Allerheiligen 2023.

Wie kannst Du Gott zum Lachen bringen? Mach‘ Dir einen Plan!

Weine nicht, JW Marriott!

Wien, 21.10.2023

Diesen Artikel habe ich zwischen 13. und 21.10.2023 geschrieben und hier veröffentlicht, aber nie beworben oder verlinkt. Eine Handvoll Freunde aus der Hotellerie kennen ihn aus persönlichen Gesprächen. Es hat mir gut getan, die Erlebnisse rund um Yuliya’s kurzes Gastspiel in der Hotellerie niederzuschreiben, um für mich Klarheit im Hinblick auf das enttäuschende Verhalten von lokalen Managerinnen einer amerikanischen Hotelgruppe zu bekommen. Ich habe eingesehen, dass es nichts verändern würde, aus dieser Enttäuschung einen Skandal zu machen. Das System ist nun einmal so und wird dadurch nicht anders. Wenn meine Reflexion Yuliya und mich davor bewahrt, je so zu werden, dann hat sich der Aufwand der wenigen Stunden gelohnt. 

Sie können nichts dafür. Sie können oder dürfen es nicht besser.

Wien, 13.10.23 „Leading Brands in der Hospitality Industry behandeln Mitarbeiter wertschätzend wie Kunden.“ Das war unsere These, als sich meine Ehefrau Yuliya einige Stufen unter ihrer Qualifikation beim Courtyard by Marriott Vienna Prater / Messe beworben hat.

Foto: directhotels.com

Diese These hat sich am Beginn auch bewahrheitet. Die Interviews wurden freundlich, kompetent in gelöster Atmosphäre und professionell durchgeführt. Der Papierkram war aufwendig, aber korrekt. Datenschutz wird groß geschrieben.

Detail am Rande: Yuliya hat sich für die Position „Supervisor Housekeeping“  beworben, weil sie in Belarus für die Koordination und Anleitung von Bohringenieuren am Rig verantwortlich war. Angeboten wurde ihr eine Stelle als Hostess im Restaurant.

Der Onboarding Prozess lief noch halbwegs zufriedenstellend. Wenigstens ein Manager, der einmalig sagt, was zu tun ist, war kurz anwesend. Von Einschulung, Mentoring  und Coaching spricht nur das Employer Branding. In der Praxis sind die Begriffe unbekannt.

Nach neun Tagen der Probezeit war dann auch das Ende der Professionalität in der Zusammenarbeit erreicht. Der Mitarbeiterin wird in Anwesenheit des direkten Vorgesetzten von der HR Managerin höflich mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis heute und hier endet. Punkt. Der anwesende Vorgesetzte hat sich dazu nicht geäußert. Was sollte er auch sagen? Er hat ja weder die Person, noch ihre Leistung erlebt.

Auf mehrfache Nachfrage, über Gründe, Ursachen und Empfehlungen für die Zukunft kommt peinliches gebetsmühlenartiges „Danke für Ihr Verständnis“ von HR. Auf die Mitteilung hin, dass es nichts zu verstehen gibt, wo nichts begründet wurde, wechselt der Satz zu „Danke für Ihr Feedback.“ Die schriftliche Bitte um einen Hinweis und eine Anregung für die Zukunft wird freundlich  korrekt beantwortet: „Ich bitte Sie höflichst um Verständnis, dass wir hierzu keine Auskunft geben können. Wir wünschen Yuliya und Ihnen alles Gute und Liebe, herzliche Grüße“.

Das Bedrückende daran für mich als Coach: Ich kann am Telefon und im Mail spüren, dass hier ein junge, kompetente und freundliche HR Managerin wirklich einen guten Job machen will. Offensichtlich sind ihr aber von den Procedures oder vom Management die Hände gebunden. So entsteht multiple Frustration:  bei HR, bei den involvierten Kollegen, bei der betroffenen Mitarbeiterin und bei den Kunden. 

Dabei ist ja beschrieben, wie es sein sollte:
https://careers.marriott.com/de-DE/blog/hiring-process/

Wien, 20.10.2023 Als ich dieses Posting vor einer Woche bis hierher geschrieben hatte, habe ich es Charisma Sattler, Human Ressources Manager, geschickt und sie eingeladen, es zu korrigieren, wenn etwas nicht richtig sein sollte. Von ihr kam keine Antwort mehr.

Statt dessen meldete sich Kathrin-Alenka Fleischer, MA, Cluster General Manager, Courtyard Vienna Prater/Messe und Moxy Vienna Airport.

Es passt ins Bild, dass wir nur einen gemeinsamen LinkedIn Kontakt haben und dass sie meine LinkedIn Anfrage seit fünf Tagen noch nicht angenommen hat.

„… Wir haben Frau Preyer gegenüber unsere Entscheidung dargelegt, sollte sie hierzu ergänzende Fragen haben, darf sie sich gern jederzeit persönlich an mich wenden…“

Das klingt nach: „Die kleine Schülerin darf sich bei der großen Frau Direktor melden.“ Yuliya hat Größe bewiesen und sich dennoch gemeldet, einen Termin mit Kathrin-Alenka bestätigt und gefragt, ob ich sie zum Gespräch begleiten darf.

Jetzt wird es skurril: Die GM hat mir darauf hin geschrieben, dass ich Yuliya gerne in das Hotel begleiten darf, nicht aber zum Gespräch.

Zahlreiche Hoteldirektoren weltweit bitten mich, vor allem schwierige Personalgespräche zu begleiten und anschließend mit ihnen zu reflektieren. Hier, wo es nur darum geht, zu erfahren, warum ein Arbeitsverhältnis mit meiner Frau Yulia während der Probezeit nicht verlängert wurde, ist eine Cluster-GM von Marriott nicht fähig oder nichts willens, zu ihrer Entscheidung zu stehen und sie zu begründen.

Es wundert mich nicht, dass Yuliya in den neun Tagen nur sehr wenige Mitarbeiter:innen im Hause kennengelernt hat, die länger als drei Monate dort beschäftigt sind.

Ich lade alle Personen, die in diesen offensichtlich intransparenten Entscheidungsvorgang eingebunden waren, öffentlich dazu ein, ganz einfach klar und nachvollziehbar diese  Entscheidung zu begründen. Yuliya als betroffene ehemalige Mitarbeiterin bietet an, diese Personen von einer allfällig bestehenden Vertraulichkeits-Verpflichtung zum Schutz der Privatsphäre zu  entbinden.

Wer meine Arbeit in den letzten 30 Jahren kennt, weiß sehr gut, dass es mir nur darum geht, Wertschätzung gegenüber Menschen und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen zu fördern. Es könnte sonst wirklich der Eindruck entstehen, in dieser  Branche würden für zwei Jobs zehn Menschen hired und acht fired. Und dieser Eindruck will so gar nicht zu den über 150  nachvollziehbaren  Rezensionen passen, die ich veröffentlicht habe. 

Lieber John Willard Marriott, das hast Du nicht so gewollt als Du damals sagtest: „You’ve got to make your employees happy. If the employees are happy, they are going to make the customers happy.“

Thomas Schön, Complex General Manager Hotel Imperial and Hotel Bristol Vienna, Luxury Collection Hotels mit Konrad Gutlederer, Maître d’hôtel im Bristol, Dezember 2006

The Social Problem of Technology

Sophie-Carolin Wagner, 19.9.2023
“The Social Problem of Technology,” in Book of X, 10 Years of Computation, Communication,Aesthetics & X. Porto, Portugal: i2ADS: Research Institute in Art, Design and Society, S. 47–56.

Sophie-Carolin Wagner’s academic background is in media theory, digital art, and social economics. She is the co-founder of Research Institute for Art and Technology (RIAT), was the co-editor of the Journal for Research Cultures and works and lives in Vienna.

Technology is of no great interest to me, other than it being a social act. I have found failed objects to be useful vehicles via which my theoretical and artistic practices converge. They are the subject matter of discussion because I hope that our miscon- ceptions about technology allow us to decode what it means to be human. My approach has led me to explore the pitfalls of media and technology; the exclusionary and alienating mechanisms in- scribed in and nurtured by them. A prominent example of ex- clusionary processes in media and technology is the existence of biases in systems under the term artificial intelligence (AI). In a previous paper I wrote, I’m addressing this research,1 howev- er, I want to divert my own narrative. I want to speculate that we can draw insights into deeply human operations from the unin- tended ways that contemporary technological systems capable of reflexive adaptations over time operate and about how it might be possible to build systems that can detect what human intelli- gence can’t.

The problem of perception is not a neurological, physio- logical or psychological one. Rather, it is part of the logical-philo-

1 Sophie-Carolin Wagner, “Programming is Law: Can I be a feminist if I don’t want to be- come a programmer?” ISEA (Durban, 2018): 336.

47

Sophie-Carolin Wagner

sophical or socio-cultural realm. It is a phenomenon allocated to metaphysics, and an undecidable question.2 Perception can’t be treated unequivocally but only from approximate perspectives. As the Swiss psychologist Jean Piaget has described in The Con- struction of Reality in the Child, it is a senso-motoric competence offering only the fundamentals for a construction of reality.3 The visual sense is not projecting reality as a mere copy of the world onto our retina, likewise hearing is not simply receiving audio in- formation in our ears.

Whereas certain systematics can be determined and in- vestigated physiologically or neurologically, the particular living situation, the experiences and the social and cultural condition- ing of the perceiving organism are critical parameters of its per- ception. The sensory system builds the epistemological tank hu- mans use to encounter their surroundings. Yet this tank may tell us very little about how the sensed attributes inform our thinking or the narratives we live by and in.

Technology is a cultural product. Informed by cultural and social structures, it is subject to the expression of historical lega- cies of privilege, violence and oppression. This becomes obvious in biases of technologies curating information and narratives, such as AI. Well-known examples are Google’s photo service tagging photos of African-Americans as “gorillas”, Google ads, which algorithmically display crimes and felony notifications when searching names that are associated to be African-Ameri- can, or facial recognition software from IBM, Microsoft or Megvii, which correctly identify a person’s gender from a photograph 99 percent of the time for white men and drop to merely 35 percent

  1. 2  Jean Baudrillard and Heinz Förster (1989). “Wahrnehmen.” in Philosophien Der Neuen Technologie: Ars Electronica, 27–28. Berlin: Merve.
  2. 3  Jean Piaget (1977). La construction du réel chez l’enfant: 6e ed. Delachaux & Niestlé.

48

in accuracy for dark-skinned women.4 Assuming the detection of these biases to be a purely technical problem would be missing a crucial part of the picture. Training data—particularly when it comes to images—reflects a long history of discrimination.

The influence on AI systems, which are based on artificial neural networks and on an iterative learning process of data cas- es, are a logical consequence. The dependency of AI on its train- ing data underlines that biassed AI is a social problem first and a technical problem second. The social and political implications of biassed AI becomes apparent when we think about systems that don’t only control how images are being tagged, but decide about the access to mortgages, water, healthcare or a country.

The technologies of AI are new, and their representation- al elements need to be rethought. AI can certainly help the con- structing of the epistemological tank, but the epistemological tank needs to be built by humans. Yet our intuitive models about how we think might be lovely but frequently wrong and that’s part of why AI doesn’t function as intended—because we can’t teach a machine what we don’t understand. What happens in the base function of an AI is a paradigm shift from a cognitive almost axiomatic system to a system based on algorithms and data. The AI systems are programmed to function by receiving data and in- formation. However, it is questionable if these data and informa- tion are “real”, and if they are real, then AI systems can still nei- ther be intelligent, nor can their representations be valid.

AI systems need human data, and humans need AI sys- tems, but this does not mean that the human and the machine are one and the same even if they are no longer the other either.

4 Tom Simonite (2018, January 11). “When it comes to gorillas, Google Photos remains blind.” Wired. Retrieved 25/02/2022, from https://www.wired.com/story/when-it-comes- to-gorillas-google-photos-remains-blind/

The Social Problem of Technology

49

Sophie-Carolin Wagner

What we are seeing today is the setting up of cognitive machines with intelligence that is based on algorithms and data. The AI systems seem to be intelligent, but they have no meaning; they might not be members of the same species to which they belong. They are increasingly proving to be data-processing machines, not intelligent cognitive machines, and they are not capable of representing any living situation, not even their own.

An unfortunate psychological effect that weighs on the re- sulting consequences of AI-based decisions, is that humans have the tendency to trust in decisions of systems that they don’t un- derstand. A prominent example of this effect was when Aviation Security officers forcibly removed passenger David Dao, a pul- monologist, from a United Express Flight, after Dao refused to leave the aircraft, but was algorithmically selected for removal due to overbooking. Even though airport security personnel are trained to know that removing a paying customer, and in this case a physician, has no legal grounds, they proceeded based on the algorithmic decision and with a dramatic show of physi- cal force. Yet somehow the machine-curated data dissemination provided a more relevant narrative than their formal training.5 As Sadie Plant formulates “intelligence is no longer monopolised, imposed or given by some external, transcendent, and implicitly superior source which hands down what it knows—or rather what it is willing to share—but instead evolves as an emergent process, engineering itself from the bottom up” and appearing only later as an identifiable object or product: “the virtuality emergent with

5 Jack Simpson (2017, September 8). “If you’re reading this, the algorithm said yes.” Har- vard. Retrieved 25/02/2022, from https://www.harvard.co.uk/youre-reading-algorithm- said-yes/

50

the computer is not a fake reality, or another reality, but the im- manent processing and imminent future of every system.”6

The significance of how technology informs social or indi- vidual processes and the importance to create systems that are just and bias-free, by controlling training sets, or by reflecting who might be oppressed by these systems should not be under- estimated. Indeed, Google and IBM have created tools aimed at detecting biases in AI in recent years.7 However, AI and its fail- ures also offer the opportunity to learn more about the limits and the potential of human symbolic faculties, fortunes and misap- prehensions.

Ignorance of perception constrains the relationships of perception to the conceptual act, limits the conceptual act it- self, and predetermines an experientialist position, one which assumes that all, or nearly, all experiences are intentional. Con- temporary technological systems capable of reflexive adapta- tions over time operate analogously to living organisms develop- ing cognitively during evolution. Moreover, these systems must be seen as actors in a sort of “extended reality”, which entails the coexistence of humans and machines, virtual and non-virtual, in a shared reality. Humans live in a self-reflexive virtuality which denotes an ever-expanding, yet continuously changing, complex system. The field of media studies, at its deepest level, aims to understand the role of new media technologies in mediating re- ality and experience. Yet, the screen and the interface are merely screens. All cognitive processes and representations are embod-

  1. 6  Sadie Plant “The Virtual Complexity of Culture”, Futurenatural: Nature, Science, Culture (1996), 203. Anna Greenspan, Capitalism’s Transcendental Time Machine, PhD Thesis, (2000), 204; 206. quoted by Amy Ireland, “Scrap Metal and Fabric: Weaving as Temporal Technology”, Agorism in the 21st Century, 1 (2022), 59-75.
  2. 7  Zoe Kleinman (2018, September 19). “IBM launches tool aimed at detecting AI bias.” BBC News. Retrieved 25/02/2022, from https://www.bbc.com/news/technology-45561955

The Social Problem of Technology

51

Sophie-Carolin Wagner

ied. To declare that the screen is a virtuality only, is to presup- pose that there is a virtuality prior to the screen. It is precisely this presupposition, which screens us from experience.

Our intuitive sense of how we think is often at odds with the underlying reality. This is a necessary consequence from our sensory system and our cognitive system’s primary function not representing reality, but to create an operable narrative. The in- ference from these representations to cognitive or sensory pro- cesses however simply doesn’t work. The inscrutability of sens- ing and thinking also explains why implicit biases are so hard to understand and even more so to correct. Investigating this in- scrutability holds a promise for correcting biases and more gen- erally for philosophy. The failures of AI might allow for just that. What I am proposing is that the failures of AI may be able to teach us more about ourselves than about the AI, and that further cre- ating AI systems that don’t aim at replicating human intelligence holds a lot of potential. Further developing AI systems that don’t even try to mimic human intelligence could potentially end up completely reshaping the way we think about thinking. In their paper Semantics Derived Automatically from Language Corpora Con- tain Human-like Biases, Caliskan et al. showed that machines can learn word associations from written texts and that these associ- ations mirror those learned by humans, as measured by the Im- plicit Association Test (IAT).8 The IAT has predictive value in un- covering the association between concepts and allows to identify attitudes and beliefs such as associations based on implicit bias- es, e.g. gender and leading or assisting positions. Anthony Green- wald concludes that this AI can serve as a method to identify im-

8 Aylin Caliskan, Joanna J. Bryson & Arvind Narayanan (2017). “Semantics Derived Automatically From Language Corpora Contain Human-like Biases.” Science, 356(6334), 183–186. https://doi.org/10.1126/science.aal4230

52

plicit human biases in language and one might postulate that it might be more adequate to do so than a human.9

A meta point concerning these discussions is the scale, or scope. Much previous research has focussed on the reactive and immediate nature of (e.g.) computer image recognition, with less concern given to the ability for technologies such as AI to shape the flows and dissemination of information; to shape our narra- tives about the world and its (and our) place in it. If we, as hu- mans, are wired to access patterns in and of our own experienc- es, then any system that can access and synthesise vast amounts of information, contextualise that data, and make sense of it in an acceptable manner is bound, at the very least, to shape our worldviews. Applying the epistemology of second order cyber- netics to our analysis of technology underlies the relevance of narratives, a change of scope which is currently very underrep- resented in discussions of fixing data set bias, or discriminatory techno-policing. Narratives allow us to explore the many ques- tions that concern us and give us a sense of identification and belonging. They allow us to grasp the world, to process and in- terpret data, and I am choosing this terminology as an indicator of this affecting the most scientific insights, rendering even pro- found technological advances irrelevant if they can’t be embed- ded in a good story.

Data labelling and data curation disseminate the most inti- mate bits of information, yet somehow this development has gen- erated a void of overarching narratives in some areas of the world. This void can, in almost all cases, be filled both by propagandist narratives generated by people (authors, journalists, filmmak- ers, agents of propaganda), and by AI systems that act as inter-

9 Anthony G. Greenwald & Brian A. Nosek (2001). “Health of the implicit association test at age 3.” Experimental Psychology, 48(2), 85–93.

The Social Problem of Technology

53

Sophie-Carolin Wagner

mediaries between the media and the public, which might be the source of multiple societal intricacies. A prominent example for this imbalance can be seen in Cambridge Analytica’s manipula- tion of citizens’ data during the 2016 US presidential elections.10 Reactive AI, which is largely responsible for the aforementioned exclusionary and alienating mechanisms resulting from biassed datasets, has actively contributed to the lack of overarching nar- ratives by shrouding us in a cloud of misinformed immediacy. This can further be weaponized to cast aspersions on the verac- ity of claims made by those who are politically opposed to those funding and utilising these large-scale data processing infra- structures. Yet none of these narratives stem from the creation of a machine. AI doesn’t create meaning or culture; it is merely a re- flection of them. What narratives emerge from an AI system will be a reflection of its users’ beliefs and biases and the algorithms used to curate the data it processes and interpret that data to pro- duce its outputs—nothing more nor less!

Having said this, the AI I am writing this essay with, kept on asking me what narratives AI needs or what the narratives which AI uses might look like. In our communal writing process—the AI suggesting and me negating the fact that AI does or will need nar- ratives, and all that while trying to reflect what we can learn from AI functioning differently than anticipated, the text arrived at yet another question: how can we overcome the lure of representa- tion, the attempt to impose psychological or physical models on experience, and how can we make sensible our pseudo-scientific technologies, which assume the existence of simulated realities and virtual actors? Using this text as a lead and asking the AI to flow, it stated that technology can solve social problems, but also

10 David R. Carroll (2021). “Cambridge Analytica.” Research Handbook on Political Propagan- da, 49–58.

54

create new ones. The inhuman feel of the AI gave me a visceral understanding of this duality, but with the same line of thought touched upon earlier, I wondered how we can use technology to drastically change this dichotomy. The AI answered that, at the end of the day, we are the ones who decide, so let’s decide now that we would rather focus on how we can use technology to inte- grate ourselves, not how it denies us our being.

55

Ist ChatGPT der „bessere“ Künstler? 

Kann KI Kunst schaffen? Gespräche mit Künstlern, Galeristen, Betrachtern anlässlich der ART VIENNA in der Schönbrunner Orangerie und ein Besuch bei Hermann Staudinger auf der Rieglerhütte.

Wien, 17.9.2023, Harald Preyer

„Die Frage könnte verstören und von den Ausstellern als Provokation verstanden werden“, warnen mich Kollegen im Vorfeld meines Besuches der Art Vienna. „Genau das will ich ja“ denke ich mir: Eine Pro-Vocation – ein „Für-Etwas-Rufen“. Es könnten Streitgespräche werden, oder auch Versuche einer Annäherung. Dabei habe ich mir den Titel nur geliehen. Das war der Arbeitstitel einer Abgeordneten zum Nationalrat für ein Gespräch mit Freunden im Palais Epstein in der letzten Woche. Dort meinte denn auch sinngemäß der nach 23 Jahren abtretende Rektor der Angewandten Gerald Bast: „Im Idealfall kann Künstliche Intelligenz Künstlern den Rücken freihalten und einfache Routineaufgaben für sie erledigen, damit sie Zeit für das Wesentliche, für Fantasie und Inspiration haben.“

Vor einem Bild im vorletzten Raum in der tropisch warmen Orangerie steht verzückt eine junge Frau als würde sie gerade in einen Ozean aus Kobaltblau mit orangem Farbklecks eintauchen.

Gottfried Mairwöger, Réunion, 1998,
Öl auf Leinen, 150 x 130 cm

„Was macht das Bild mit Ihnen?“ frage ich sie leise, weil ich sie nicht aus ihrer Trance wecken wollte. „Oh. Es liebt mich. Ich liebe es. Ich bin grad weit weg und nah dran. Spüren Sie es auch? Das ist der Fluchtpunkt der Sehnsucht, der Hoffnungsstrahl aus dem Jenseits, das Ziel meiner Träume. Meine Sehnsucht hat ein Zuhause.“ Da ist ein Funke übergesprungen, wie ein Künstler später an diesem Nachmittag sagen wird.

„Es muss doch nicht alles immer perfekt sein. Menschen machen halt auch Fehler. Das macht sie ja gerade menschlich. Und das ist der Unterschied zwischen Mensch und Maschine“, meint eine Kunsthändlerin, der ich die Titelfrage stelle. „Künstliche Intelligenz ist ja schon uralt. Sie gibt es im Web seit wir die Möglichkeit haben, auf das Wissen der Welt von unserem Computer zuzugreifen. Das ermöglicht uns vergleichende Betrachtung von Gedanken, Konzepten und Kunstwerken zu einem Stichwort. Wir können aus viel Ähnlichem unser Eigenes schaffen und damit andere konfrontieren. Das ist Kunst“, erklärt mir eine Universitätsdozentin, die auch mit Kunst handelt.

„Der Betrachter kann unsere Installation betreten, Teil des Raumes werden. Wir schaffen mit unterschiedlichen Programmen neue Wirklichkeiten, die wir zu einer kompletten Webseite zusammenfügen. Die ganze Seite verkaufen wir dann an den Sammler. Er kann die URL in seiner Kommunikation nutzen und damit seinen Freunden und Kunden den Schlüssel zu neuen Räumen öffnen“ schwärmt ein Kunsthändler aus Oberösterreich, der in Wien eine Galerie betreibt. Ich betrete auf meinem Handy einen dieser Kunsträume und lausche der beschwörenden Göttin aus einer anderen Welt mit ihrem „Appell an die Menschlichkeit“. Ihr Gesicht erinnert mich an einen Fantasy-Film. Ihre Gedanken haben eine Ordnung und Klarheit, die mich beeindrucken. „Alles mit Künstlicher Intelligenz zusammengefunden“ meint der Schöpfer der Seite stolz.

Nach etwas mehr als zwei Stunden und intensiven Interviews mit unterschiedlichsten Menschen freue ich mich an diesem strahlenden warmen September Nachmittag auf den kühlen Wald. Wir wollen noch Hermann Staudinger, einen lieben Freund und seit mehr als 30 Jahren Künstler, in seinem Haus nahe der Rieglerhütte besuchen. Er hat selbst am Freitag ein Bild zur Eröffnung der Messe ausgestellt. Im angenehm entspannten fokussierten Gespräch erzählt er mir zwei Geschichten, die sein Leben beeinflusst haben.

 

Hermann Staudinger, Im Auer-Welsbach-Park in Wien, Baum-Bild in Gold

Bei einer Ausstellung in New York betrachtete er ein Bild mit einem schwarzen Quadrat, ein „Black Painting“ von Ad Reinhardt. „Da hat sich wieder einmal einer am Schwarzen Quadrat von Kasimir Malewitsch versucht, dachte ich mir am Anfang. Dann habe ich genauer hingesehen. Es waren in Wirklichkeit mehrere Quadrate mit unterschiedlichen Nuancen von Schwarz. Schwarz mit einem zarten Blau, mit rot. Das Bild hatte eine Tiefe, wie ich sie noch nie gesehen habe.“ In Paris im Louvre musste ihm seine charmante Frau Elke versprechen, dass sie nicht die Mona Lisa besuchen würden. Nach einem langen Tag blieb ihnen am Ende noch eine Stunde übrig und sie waren gerade nahe bei Leonardo da Vinci. Es lag also doch nahe, noch einen kurzen Blick auf das wahrscheinlich berühmteste Bild der Welt zu werfen, an dem der Künstler ja sein ganzes Leben lange gearbeitet haben soll. „Die junge Frau hat mir direkt ins Herz geschaut. Sie hat mich berührt wie kein Bild vorher und nachher.“

Mona Lisa (La Gioconda), Leonardo da Vinci, 1503–1506, Musée du Louvre, Paris

Liegt das am zarten Lächeln mit geschlossenem Mund? Sind es die nicht ausgeführten Umrisse (sfumato)? Oder hat der Meister der italienischen Renaissance sein Vermächtnis in das Bild gelegt und das Rezept dazu in sein Grab mitgenommen? Bei Leonardos Tod, im Jahr 1519, befand sich das Bild jedenfalls in seinem Besitz, wurde also niemals dem Auftraggeber abgeliefert. Bei Hermann ist in beiden Fällen ein Funke übergesprungen, der ihn spüren ließ, was er nie vorher empfunden hat. Ist es das? Ist dieser Funke das, was Kunst von Handwerk unterscheidet?

„Kann man diesen Funken vermessen, mathematisch beschreiben?“ wollte der sympathische Linzer Architekt wissen, der seit Beginn unseres Gespräches Zigarre rauchend an der Ecke des Tisches saß und nichts sagte, nur interessiert zuhörte. „Wenn man es nämlich nicht als Algorithmus beschreiben kann, dann wird Künstliche Intelligenz es nicht erschaffen können“, zitierte er stolz seinen Nachzügler, der an der Universität Informatik studiert.

Die Steinigung des Heiligen Stephanus

26.12.2024 Heute hat es im Stephansdom „nur so an Diakonen gewimmelt!“ Mehr als 60 habe ich gezählt. Klar. Stephanus war ja einer der sieben ersten Diakone der Urkirche und ihr erster Märtyrer. Und vermutlich war es die letzte Stephanimesse unseres geliebten P. Christoph als Erzbischof von Wien im Dom. Mit ihm sind die Diakone ja in besonderer Weise verbunden.
Der Kardinal meinte dann auch zur Begrüßung sinngemäß: „Ich freue mich sehr, dass so viele Diakone heute gekommen sind. Diese Männer leisten ihren Liebesdienst in der Freizeit und ehrenamtlich. Sie sind die Wurzeln unserer heutigen Caritas.“
Ich bin dankbar und froh, mit einigen dieser Herren gut befreundet zu sein.
Dieses Foto habe ich mit meinem iPhone von der Orgelempore aus aufgenommen. Unter Profis könnte man sagen: „Verwackelt!“ Ich finde es aber „ganz charmant verwackelt“. Das Bild ist jedenfalls wie immer genau so wie ich es aufgenommen habe.
Wir haben dann auf den Beginn der 12:00 Messe gewartet. Die hat sich heute um 15 Minuten verschoben. Wir haben aber dem Anlass entsprechend sehr gerne gewartet und das Te Deum aus ganzem Herzen in der Sakristei mitgesungen.
Für die von mir sehr geschätzte Sakristanin der Deutschordenskirche Bene Xavier war es bereits ihre dritte Messe heute und sie hat auch noch gleich ihre Freundin Ursula mitgebracht. So waren wir schließlich um 12:15 drei Helfer für den Priester.
Militärerzdekan Dr. Harald Tripp hat eine brillante kurzweilige Predigt zum Hochaltarbild gehalten. Vor allem für den Aspekt, dass Stephanus den Himmel offen gesehen und damit in die Weite gesehen hat – weit über sein Leben hinaus und tief hinein in Gottes Liebe und Ewigkeit, bin ich dankbar.

Hochaltar-Bild im Wiener Stephansdom

Textauszug aus: Der Stephansdom, Reinhard H. Gruber, Pichler Verlag, 2005, ISBN 3-85431-368-3

„Der bis heute erhaltene barocke Hochaltar der Domkirche wurde im Auftrag von Fürstbischof Philipp Friedrich Graf Breuner von den Brüdern Johann Jakob und Tobias Pock aus Konstanz errichtet und am 19. Mai 1647 feierlich konsekriert. Er zählt zum so genannten „porta coeli-Typus“ , das heißt er gleicht in seinem Aufbau einem Hausportal. Das Altarbild gibt gleichsam den Blick in den Himmel frei. Ikonographisch und thematisch sehr schön damit verbunden ist das Altarbild von Tobias Pock: Es zeigt den sterbenden Dompatron Stephanus mit bleichem Antlitz vor den Mauern Jerusalems und darüber Christus, den Auferstandenen, zur Rechten des Vaters. Der geöffnete Himmel, wie ihn Stephanus bei seinem Tod sah. Die Darstellung des geöffneten Himmels schräg hinter ihm ist aber eigentlich unlogisch – so kann Stephanus ihn gar nicht gesehen haben. Aber vielleicht ist das auch nicht so wichtig.

Es ging dem Künstler wohl darum, dem gläubigen Betrachter einen Hinweis zu geben und ihn zur Meditation zu bewegen. Er sollte erkennen, was ihn erwartet, wenn er am Ende seines irdischen Weges angekommen ist und hoffen darf, dass auch für ihn der Himmel geöffnet ist. Ein interessantes Detail am Rande: Die Dalmatik, das liturgische Kleid der Diakone, die der hl. Stephanus am Hochaltarbild trägt, gleicht der des „Kleinen Breuner-Ornats“, des ältesten erhaltenen Ornats der Domkirche (1647).

Fürstbischof Breuner stiftete ihn anlässlich der Einweihung des Hochaltares; seither findet er immer am 26. Dezember bei der Abendmesse seine Verwendung. Der zum gleichen Anlass gestiftete „Große Breuner-Ornat“, es handelt sich dabei um einen wertvollen Ornat aus roter Atlasseide mit aufgesticktem Golddekor, wird alljährlich am Stephanitag zum Pontifikalamt getragen.

Die Darstellung des jungen Mannes mit Hund, der gleichsam aus dem linken vorderen Teil des Altarbildes herausblickt, dürfte ein Selbstporträt des Künstlers Tobias Pock sein.

Der Hauptaltar von St. Stephan gilt als erster und bedeutendster frühbarocker Altar Wiens. Mehrere Stufen führen zum mächtigen Altartisch, auf dem seit der letzten Umgestaltung im Jahre 1989 (Entfernung des Tabernakels) sieben goldene barocke Leuchter als Anspielung auf die ersten sieben urkirchlichen Diakone stehen. Der Sockel, die frei stehenden Säulen, das Gebälk und der verkröpfte Giebel bestehen aus schwarzem polnischem Marmor, von dem sich die beiden Wappen am Sockel und die Pilasterrücklagen aus grauem steirischem Marmor gut abheben. Die restlichen dekorativen und figuralen Elemente sind aus weißem Tiroler Marmor angefertigt.

Das riesige Altarbild wurde auf Zinnplatten gemalt (von Johann Georg Diepolt aus Konstanz gegossen), da man Sorge hatte, dass Leinwand die Größe des Bildes nicht tragen könnte. Es wird links flankiert vom hl. Sebastian und dem Patron Osterreichs, Markgraf Leopold III., und rechts ebenfalls von einem österreichischen Heiligen, dem römischen Märtyrer Florian, und dem heiligen Rochus. Sebastian und Rochus werden als Pestpatrone verehrt, eingedenk der Pestepidemien haben sie ihren Platz am Hochaltar gefunden.“ Ende des Textauszugs aus dem Buch von Reinhard H. Gruber.

Foto: C.Stadler/Bwag

Meditation zum Hochaltarbild im Wiener Stephansdom

Thema: Steinigung des heiligen Stephanus, des ersten christlichen Märtyrers und Namenspatron des Doms. Stephanus, als Diakon in Jerusalem tätig, wurde wegen seiner Predigten über Jesus und seine Anklage gegen jene, die Jesus gekreuzigt hatten, gesteinigt.

Bildbeschreibung: Das Bild stellt die dramatische Szene der Steinigung dar. Im Zentrum des Geschehens ist der heilige Stephanus dargestellt, der nach oben schaut, wobei sein Gesicht von göttlichem Licht erleuchtet wird. Er ist in wehenden Gewändern dargestellt, die Bewegung und Dringlichkeit der Szene betonen. Um ihn herum sind seine Verfolger zu sehen, die Steine in den Händen halten und auf ihn werfen. Im Hintergrund sind architektonische Elemente und eine städtische Landschaft zu erkennen, die das Geschehen in Jerusalem verorten. Der Himmel darüber ist turbulent und dramatisch, was die Bedeutung des Augenblicks unterstreicht.

Vorbereitung: Suche dir einen ruhigen Ort, an dem du ungestört sein kannst. Atme einige Male tief ein und aus, spüre deinen Körper und lass alle äußeren Ablenkungen hinter dir. Höre eventuell dazu die Pummerin schlagen.

Einführung: Stelle dir vor, du betrittst den beeindruckenden Innenraum des Wiener Stephansdoms. Die Stille, die historische Bedeutung und die majestätische Architektur umhüllen dich wie ein warmes Tuch. Deine Augen werden zum Hochaltar hingezogen, wo das monumentale Gemälde hängt.

Betrachtung: Das Bild zeigt die Steinigung des heiligen Stephanus. Er steht im Zentrum des Gemäldes, umgeben von einer Gruppe von Männern, die Steine auf ihn werfen. Der heilige Stephanus hebt sein Gesicht dem Himmel zu, und ein Strahl göttlichen Lichts erleuchtet sein Antlitz. Trotz der Gewalt, die ihm widerfährt, wirkt er ruhig, ja fast erhaben.

Nimm dir einen Moment, um dieses Bild in all seinen Details zu betrachten.

Spüre die Emotionen, die die Szene in dir hervorruft. Vielleicht Empathie für Stephanus, Bewunderung für seinen Glauben und seine Hingabe, oder Erstaunen über die Tiefe des Bildes und seine Bedeutung.

Vertiefung: Stelle dir vor, du könntest in die Szene eintreten. Du stehst neben Stephanus und spürst die Hitze und Intensität des Augenblicks. Du hörst das laute Gemurmel der Menge, das Rauschen der Gewänder und das Aufprallen der Steine. Doch trotz des Chaos um dich herum, spürst du auch eine tiefe Stille, einen inneren Frieden, der von Stephanus ausgeht.

Frage dich: Was möchte mir diese Meditation heute sagen? Vielleicht geht es um Standhaftigkeit in schwierigen Zeiten, um den Mut, an das zu glauben, was richtig ist, oder um die Fähigkeit, inneren Frieden auch inmitten von Turbulenzen zu finden.

Abschluss: Atme tief ein und spüre die Verbindung zu diesem Bild, dieser Geschichte und ihrer Bedeutung. Wenn du bereit bist, kehre langsam in den Raum zurück, in dem du dich befindest. Öffne die Augen und danke für die Einsichten und Gefühle, die diese Meditation dir gebracht hat.

Halte die Erkenntnisse und Gefühle, die du während dieser Meditation gewonnen hast, in deinem Herzen fest und nimm sie mit in deinen Alltag.

Apostelgeschichte Kapitel 7

Die Wahl der Sieben

1 In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. 2 Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. 3 Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. 4 Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. 

5 Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. 6 Sie ließen sie vor die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf. 

7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer; auch eine große Anzahl von den Priestern nahm gehorsam den Glauben an.

Die Verhaftung des Stephanus

8 Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk. 9 Doch einige von der sogenannten Synagoge der Libertiner und Kyrenäer und Alexandriner und Leute aus Kilikien und der Provinz Asien erhoben sich, um mit Stephanus zu streiten; 10 aber sie konnten der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht widerstehen. 11 Da stifteten sie Männer zu der Aussage an: Wir haben gehört, wie er gegen Mose und Gott lästerte. 12 Sie hetzten das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten auf, drangen auf ihn ein, packten ihn und schleppten ihn vor den Hohen Rat. 

13 Und sie brachten falsche Zeugen bei, die sagten: Dieser Mensch hört nicht auf, gegen diesen heiligen Ort und das Gesetz zu reden. 14 Wir haben ihn nämlich sagen hören: Dieser Jesus, der Nazoräer, wird diesen Ort zerstören und die Bräuche ändern, die uns Mose überliefert hat. 15 Und als alle, die im Hohen Rat saßen, gespannt auf ihn blickten, erschien ihnen sein Gesicht wie das Gesicht eines Engels. 

Die Rede des Stephanus

1 Der Hohepriester aber fragte: Ist das wahr?

2 Stephanus antwortete: Brüder und Väter, hört mich an! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er in Mesopotamien lebte, ehe er sich in Haran niederließ, 3 und sagte zu ihm: Zieh weg aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und geh in das Land, das ich dir zeigen werde! [1] 4 Da zog er aus dem Land der Chaldäer fort und ließ sich in Haran nieder. Von dort ließ Gott ihn nach dem Tod seines Vaters in dieses Land übersiedeln, in dem ihr jetzt wohnt. 5 Er hat ihm darin kein Erbteil gegeben, auch nicht einen Fußbreit, doch hat er verheißen, das Land ihm und seinen Nachkommen zum Besitz zu geben, obwohl er kinderlos war. [2] 6 So sprach Gott: Seine Nachkommen werden als Fremde in einem Land wohnen, das ihnen nicht gehört; und man wird sie zu Sklaven machen und sie vierhundert Jahre lang hart behandeln. [3] 7 Aber auch über das Volk, dem sie als Sklaven dienen, werde ich Gericht halten, sprach Gott, und danach werden sie ausziehen und mich an diesem Ort verehren. [4]

8 Und er gab ihm den Bund der Beschneidung. So zeugte Abraham den Isaak und beschnitt ihn am achten Tag, ebenso Isaak den Jakob und Jakob die zwölf Patriarchen. 9 Die Patriarchen aber waren eifersüchtig auf Josef und verkauften ihn nach Ägypten; doch Gott war mit ihm. [5] 10 Er rettete ihn aus allen seinen Nöten, schenkte ihm Weisheit und die Gunst des Pharao, des Königs von Ägypten, und er bestellte ihn zum Herrscher über Ägypten und über sein ganzes Haus. [6]

11 Es kam aber eine Hungersnot über ganz Ägypten und Kanaan und das Elend war groß. Auch unsere Väter hatten keine Nahrung mehr. 12 Als Jakob hörte, dass es in Ägypten Getreide gab, schickte er unsere Väter ein erstes Mal dorthin. 13 Beim zweiten Mal gab Josef sich seinen Brüdern zu erkennen und dem Pharao wurde Josefs Herkunft bekannt. [7] 14 Josef aber ließ seinen Vater Jakob und seine ganze Familie holen: fünfundsiebzig Menschen. 15 So zog Jakob nach Ägypten hinab; und er starb und auch unsere Väter starben. 16 Man brachte sie nach Sichem und bestattete sie in dem Grab, das Abraham von den Söhnen Hamors in Sichem für Silbergeld gekauft hatte. [8]

17 Als aber die Zeit der Verheißung herankam, die Gott dem Abraham zugesagt hatte, vermehrte sich das Volk und breitete sich in Ägypten aus, 18 bis ein anderer über Ägypten König wurde, der von Josef nichts wusste. 19 Er ging gegen unser Volk heimtückisch vor und zwang unsere Väter, ihre Kinder auszusetzen; sie sollten nicht am Leben bleiben. 20 In dieser Zeit wurde Mose geboren und Gott hatte Gefallen an ihm. Drei Monate lang wurde er im Haus seines Vaters aufgezogen; 21 als er aber ausgesetzt wurde, nahm ihn die Tochter des Pharao auf und erzog ihn als ihren Sohn. [9] 22 Und Mose wurde in aller Weisheit der Ägypter ausgebildet und er war mächtig in Wort und Tat. 23 Als er vierzig Jahre alt war, reifte in ihm der Gedanke, nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, zu sehen. 24 Und als er sah, wie einem von ihnen Unrecht geschah, kam er dem Unterdrückten zu Hilfe und rächte ihn, indem er den Ägypter erschlug. [10] 25 Er dachte, seine Brüder würden begreifen, dass Gott ihnen durch seine Hand Rettung bringen wolle; doch sie begriffen es nicht. 26 Am folgenden Tag kam er dazu, wie sie sich stritten; er versuchte, sie auszusöhnen und Frieden zu stiften, und sagte: Männer, ihr seid doch Brüder. Warum tut ihr einander Unrecht? 27 Der Mann aber, der seinem Nächsten Unrecht getan hatte, stieß ihn weg und sagte: Wer hat dich zum Anführer und Schiedsrichter über uns bestellt? 28 Willst du mich etwa umbringen, wie du gestern den Ägypter umgebracht hast? 29 Daraufhin floh Mose und hielt sich als Fremder in Midian auf; dort wurden ihm zwei Söhne geboren.

30 Als vierzig Jahre vergangen waren, erschien ihm in der Wüste beim Berg Sinai ein Engel im Feuer eines brennenden Dornbusches. [11] 31 Als Mose die Erscheinung sah, wunderte er sich darüber. Er ging näher hin, um sie genauer zu betrachten. Da ertönte die Stimme des Herrn: 32 Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Mose begann zu zittern und wagte nicht hinzusehen. 33 Da sagte der Herr zu ihm: Zieh deine Schuhe aus! Denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 34 Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und seine Klage gehört. Ich bin herabgestiegen, um sie zu retten. Und jetzt geh, ich sende dich nach Ägypten. [12] 35 Diesen Mose, den sie verleugnet hatten mit den Worten: ‚Wer hat dich zum Anführer und Schiedsrichter bestellt?‘, ihn hat Gott als Anführer und Befreier gesandt durch die Hand des Engels, der ihm im Dornbusch erschien. 36 Dieser Mose hat sie herausgeführt, indem er Zeichen und Wunder tat in Ägypten und im Roten Meer und in der Wüste, vierzig Jahre lang.

37 Dies ist der Mose, der zu den Söhnen Israels gesagt hat: Einen Propheten wie mich wird Gott euch aus euren Brüdern erwecken. [13] 38 Dieser stand bei der Versammlung des Volkes in der Wüste zwischen dem Engel, der mit ihm auf dem Berg Sinai redete, und unseren Vätern. Er hat Worte des Lebens empfangen, um sie uns zu geben. 39 Aber unsere Väter wollten sich ihm nicht unterordnen; sie wiesen ihn ab und wandten ihr Herz nach Ägypten zurück. 40 Sie sagten zu Aaron: Mach uns Götter, die vor uns herziehen! Denn dieser Mose, der uns aus Ägypten herausgeführt hat – wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. 41 Und sie fertigten in jenen Tagen das Standbild eines Kalbes an, brachten dem Götzen ein Opfer dar und freuten sich über das Werk ihrer Hände. 42 Da wandte sich Gott ab und überließ sie dem Sternenkult, wie es im Buch der Propheten heißt: Habt ihr mir etwa Schlachttiere und Opfer dargebracht während der vierzig Jahre in der Wüste, ihr vom Haus Israel? [14] 43 Das Zelt des Molochs und den Stern des Gottes Raifan habt ihr herumgetragen, die Bilder, die ihr gemacht habt, um sie anzubeten. Darum will ich euch in die Gebiete jenseits von Babylon verbannen. [15]

44 Unsere Väter hatten in der Wüste das Bundeszelt. So hat Gott es angeordnet; er hat dem Mose befohlen, es nach dem Vorbild zu errichten, das er geschaut hatte. 45 Und unsere Väter haben es übernommen und mitgebracht, als sie unter Josua das Land der Heidenvölker besetzten, die Gott vor den Augen unserer Väter vertrieb, bis zu den Tagen Davids. 46 Dieser fand Gnade vor Gott und bat für das Haus Jakob um ein Zeltheiligtum. 47 Salomo aber baute ihm ein Haus. [16] 48 Doch der Höchste wohnt nicht in dem, was von Menschenhand gemacht ist, wie der Prophet sagt: 49 Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was für ein Haus könnt ihr mir bauen?, spricht der Herr. Oder welcher Ort kann mir als Ruhestätte dienen? 50 Hat nicht meine Hand dies alles gemacht?

51 Ihr Halsstarrigen, unbeschnitten an Herzen und Ohren! Immerzu widersetzt ihr euch dem Heiligen Geist, eure Väter schon und nun auch ihr. 52 Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, 53 ihr, die ihr durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen, es aber nicht gehalten habt.

Die Steinigung des Stephanus

54 Als sie das hörten, waren sie in ihren Herzen aufs Äußerste über ihn empört und knirschten mit den Zähnen gegen ihn. 55 Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen 56 und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. 57 Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten einmütig auf ihn los, 58 trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.

Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. 59 So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!

60 Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er.

Fußnoten

Auf diese Stellen bezieht sich Stephanus in seiner Rede vermutlich.

  1. 1.(Gen 12,1): „Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.“

    2.(Gen 17,8): „Ich gebe dir und deinen Nachkommen das ganze Land Kanaan, in dem du als Fremder weilst, als ewigen Besitz, und ich will ihr Gott sein.“

    3.(Gen 15,13-14): „Da sprach der Herr zu Abram: Deine Nachkommen werden als Fremde in einem Land leben, das ihnen nicht gehört; man wird sie knechten und vierhundert Jahre lang unterdrücken. Aber auch über das Volk, dem sie dienen, werde ich Gericht halten.“

    4.(Ex 3,12): „Gott sprach: Ich werde mit dir sein. Und dies soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg dienen.“

    5.(Gen 37,28): „Als die Händler vorüberzogen, holten sie Josef aus der Zisterne herauf und verkauften ihn für zwanzig Silberstücke an die Ismaeliter. Diese brachten Josef nach Ägypten.“

    6.(Gen 41,39-41): „Da sprach der Pharao zu Josef: Weil Gott dir dies alles kundgetan hat, ist niemand so einsichtig und weise wie du. Du sollst über mein Haus gesetzt sein, und auf dein Wort soll mein ganzes Volk hören.“

    7.(Gen 45,4-7): „Ich bin euer Bruder Josef, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Doch jetzt grämt euch nicht und macht euch keine Vorwürfe, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch am Leben zu erhalten.“

    8.(Gen 23,16-20): „Abraham wog Efron das Silber ab, wie er gesagt hatte […] So ging das Grundstück Efrons, das bei Machpela lag, […] an Abraham über als Grabstätte.“

    9.(Ex 2,5-10): „Die Tochter des Pharao kam an den Nil herab, um zu baden. […] Das Kind weinte. Sie hatte Mitleid mit ihm und sprach: Das ist eines der Kinder der Hebräer.“

    10.(Ex 2,11-12): „In jenen Tagen ging Mose hinaus zu seinen Brüdern und sah, wie sie Zwangsarbeit verrichten mussten. […] Er erschlug den Ägypter und verscharrte ihn im Sand.“

    11.(Ex 3,2-4): „Da erschien ihm der Engel des Herrn in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. […] Mose sagte: Ich will hingehen und mir diese große Erscheinung ansehen.“

    12.(Ex 3,7-8): „Da sprach der Herr: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre Klage über die Antreiber gehört. Ich kenne ihr Leid und bin herabgestiegen, um sie aus der Gewalt Ägyptens zu retten.“

    13.(Dtn 18,15): „Einen Propheten wie mich wird der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, erstehen lassen; auf ihn sollt ihr hören.“

    14.(Am 5,25-27): „Habt ihr mir etwa Schlachtopfer und Speiseopfer dargebracht in der Wüste, vierzig Jahre lang, Haus Israel? Ihr habt den Stern eures Gottes Rephan und die Bilder eurer Götzen getragen.“

    15.(Jos 3,14-17): „Als das Volk aus seinen Zelten aufbrach, um den Jordan zu durchqueren, […] stand das Wasser still und erhob sich wie ein Damm sehr weit oben.“

    16.(2 Sam 7,13): „Er wird ein Haus bauen für meinen Namen und ich werde den Thron seines Königtums auf ewig befestigen.“

Credits 

Textauszug am Anfang des Beitrags aus „Der Stephansdom“, Reinhard H. Gruber, Pichler Verlag, 2005, ISBN 3-85431-368-3, 1. Auflage, Seiten 110 – 111

Eine erste Version dieses Artikel habe ich im Dezember 2022 veröffentlicht und ihn dann immer wieder überarbeitet. Fachinspektor MMag. Dr. Andreas Ruthofer, mein Vortragender über das Alte Testament im Rahmen der Theologischen Kurse,  hat mich im Herbst 2024 zur Idee inspiriert, die Verweise aus der Rede des Hl. Stephanus zu finden.