Homilie von P. Johannes Paul Abrahamowicz OSB am 5. Sonntag der Fastenzeit 2025 zu Joh 8, 1–11 – Jesus und die Ehebrecherin
Transkript gewissenhaft aber dich mit möglichen Hörfehlern HRP.
Jesus ist im Tempel, er lehrt – und dann wird er unterbrochen. Man bringt ihm eine Frau und sagt: „Man hat sie bei frischer Tat ertappt – beim Ehebruch.“
Und es gibt ein Gesetz des Mose. Nach diesem Gesetz soll sie gesteinigt werden.
Was sagst du, Herr?
Ja, wir wissen: Sie wollen ihn verklagen. Sie suchen einen Anlass, einen Grund. Und ein guter Grund wäre, dass Jesus etwas anderes sagt, als das Gesetz des Mose.
Aber wenn man sich das Gesetz des Mose genau anschaut, dann steht da etwas anderes. Erstens: Wenn die Frau bei frischer Tat ertappt wird, dann ist auch der Mann dabei. Und beide sollen gesteinigt werden. Das sagt uns nicht nur der Verstand – dass sie beide da sind –, sondern das steht auch im Gesetz des Mose. Beide sollen gesteinigt werden.
Wenn man jetzt also nur die Frau herholt und sagt: „Sie wurde bei frischer Tat ertappt“, dann hätte Jesus auch fragen können: „Wo ist denn der Mann?“ – Tut er aber nicht. Er sagt nichts dazu. Und das hat wohl seinen Grund.
Zweitens: Es gibt diese Regelung, dass die Zeugen – also die, die jemanden belasten – als Erste den Stein werfen müssen. Und es müssen zwei Zeugen sein.
Jesus aber sagt nicht: „Die zwei Zeugen sollen anfangen“, sondern er sagt etwas anderes:
„Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“
Und das ist sehr stark.
Zwischendurch sagt er gar nichts. Er bückt sich und schreibt auf die Erde.
Er hat der Frau schon längst verziehen.
Und trotzdem steht sie da – immer noch in der Mitte – wie eine Angeklagte.
Jesus ist der Einzige, der sich jetzt wie ein Richter verhält. Und er sagt dann auch:
„Ich verurteile dich nicht.“
Aber er hat ihr längst verziehen.
Was wollte Jesus mit dieser ganzen Aktion?
Er wollte, dass auch die, die die Frau anklagen, verzeihen.
Und dann wollte er, dass auch die Frau verzeiht – diesen Missständen, dieser Ungerechtigkeit, dass sie angeklagt wird, und der Mann nicht.
Es gibt für das Vergeben viele, viele Bilder.
Die Bibel ist voll davon – so sehr, dass man mit dem Erfinden von Bildern gar nicht mehr nachkommt.
Da heißt es zum Beispiel:
– „Er wirft deine Sünden hinter seinen Rücken.“
– „Er wirft die Sünden in die Tiefe des Meeres.“
– „Er streicht den Schuldschein durch“ – so sagt es Paulus.
– Oder: „Ich denke nicht mehr an deine Sünden.“ (Jesaja 43,25)
Das ist übrigens ein paar Verse weiter als unsere Lesung heute. Unsere Lesung endete bei Vers 21, aber im Vers 25 steht es:
„Ich denke nicht mehr an deine Sünden.“
Und wir haben in der Lesung auch gehört:
„Denkt nicht mehr an das Frühere.“
Das ist eine Einladung, die Schuld – auch die eigene – loszulassen.
Vergib dir selbst. Denk nicht mehr an deine Sünden.
Im Hebräerbrief wird dieser Gedanke zweimal zitiert – im 8. und im 10. Kapitel:
Nicht mehr an die Sünden denken.
Kennen Sie das, wenn jemand sagt:
„Vergiss es!“
Jemand entschuldigt sich bei dir, und du sagst:
„Vergiss es.“
Dieses Vergessen, dieses Nicht-mehr-daran-Denken – das ist eine Form des Vergebens.
Also, wir haben in der ersten Lesung diese Einladung bekommen:
„Denkt nicht mehr an eure Sünden – sie sind vergeben.“
Und Paulus schreibt an die Philipper:
„Ich vergesse, was hinter mir liegt.“
Denn das Nachgrübeln über die eigenen Sünden führt leicht dazu, dass man sich selbst verurteilt.
Aber: Nicht du bist dein Richter.
Gott ist dein Richter.
Überlass es ihm.
Vergiss deine Sünden.
Sie sind vergeben.
Und genau das will Jesus auch den Männern im Tempel zeigen.
Was macht er?
Er schreibt mit dem Finger auf die Erde.
Was er schreibt, wissen wir nicht.
Aber es gibt eine schöne Erzählung – nicht aus der Bibel, aber eine schöne Geschichte.
Darin heißt es: Jesus schreibt die Namen aller anwesenden Männer auf – angefangen bei den Ältesten.
Die Ältesten – das wären heute vielleicht die Pfarrgemeinderatsvorsitzenden – also die „Etablierten“.
Und neben ihre Namen schreibt er die Namen aller Frauen, mit denen sie etwas gehabt haben.
Und bei den Ältesten stehen natürlich die meisten Namen.
Und angefangen bei den Ältesten lassen sie die Steine fallen und gehen weg.
Schöne Geschichte. Steht nicht in der Bibel – aber sie hat etwas.
Ich vergesse es auch. Ich sage ja nichts – ich schreibe es nur auf.
Vielleicht wischt er es danach ja wieder weg…
Und das Schöne ist:
Die Frau macht da ganz mit.
Am Schluss heißt es:
„Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?“
Und sie hätte sagen können:
„Na freilich haben sie mich verurteilt – jetzt sind sie halt gegangen.“
Sagt sie aber nicht.
Sie sagt:
„Keiner, Herr.“
Eine Frau, die uns ein Vorbild ist.
Lassen wir den Herrn unsere Sünden richten – im Sinn von reparieren.
Wie man so schön sagt auf Deutsch:
„Er richtet es schon.“
Amen.
zum Vornamen Daniel(a) siehe auch die Erklärung in Wikipedia: Gott sei mein Richter.