Im Alltag begegnen uns täglich Menschen, denen wir ihre Unzufriedenheit ansehen. In der U-Bahn schauen sie genervt oder gereizt. Im Gasthaus beschweren sie sich über Kleinigkeiten. „Die Suppe ist zu heiß. Ich warte schon seit zehn Minuten auf meinen Café…“
Und wir treffen auf in sich ruhende, strahlende, wohltuende Menschen, denen wir sofort ansehen, dass sie zufrieden – glücklich – sind.
Was ist Zufriedenheit wissenschaftlich betrachtet?
Es handelt sich um einen permanenten meist unbewussten Vergleichsprozess zwischen einer „Erwartungshaltung“ und einer „Wahrnehmung“. Erhalten wir genau, was wir erwarten, dann sind wir mit diesem Aspekt unserer Wahrnehmung zufrieden. Erhalten wir weniger, dann sind wir unzufrieden. Nehmen wir mehr war als wir erwartet haben, dann sind wir begeistert. Und gleichzeitig gewöhnen wir uns sehr rasch an dieses neue Erwartungs-Niveau. Das ist das Phänomen der progressiven Zufriedenheit.
Deshalb wirken auch Gehaltserhöhungen nur so lange motivierend bis wir uns an das neue Niveau gewöhnt haben – meist zwei bis drei Monate.
In strategischen Mitarbeiterbefragung wird seit vielen Jahren Zufriedenheit gemessen. Dabei kommen meist folgende Dimensionen (i.e. Kapitel im Fragebogen) zu Einsatz:
- Arbeitssituation
- Gesundheitsvorsorge
- Information und Kommunikation
- Zusammenarbeit
- Arbeitsabläufe, Prozesse
- Kundenorientierung
- Führung
- Berufliche Entwicklung
- Entlohnungssystem, Kompensation
- Unternehmenskultur und Image
- Zusatzfragen
Jede dieser Dimensionen wird mit Aspekten (i.e. einzelne positive Aussagen) modelliert. Im Idealfall entsteht so ein Fragebogen, der mit rund 50 Items die Gesamtzufriedenheit in der Organisation zu einem hohen Prozentsatz erklärt. Die Auswahl der Aspekte wird von folgenden Einflussfaktoren stark geprägt:
- Reifegrad der Organisation
- Branche
- Aufbauorganisation (Organigramm)
- Unternehmenskultur
- Marktsituation
- …
Niemand weiß besser als die eigenen Mitarbeiter, welche Aspekte in der aktuellen Situation die Zufriedenheit der Menschen im Unternehmen am meisten beeinflussen. Deshalb findet die Zusammenstellung des Fragebogens in einem Ziel- und Planungsworkshop statt, in dem möglichst repräsentativ alle Gruppen von Mitarbeitern vertreten sind (Führungskräfte, Experten, Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung, Betriebsrat, …).
Aus einem vorbereiteten Aspektkarten-Set mit rund 100 Items werden vom Projektteam jene ausgewählt, die derzeit am besten passen. Zusätzlich werden spezifische Aspekte ergänzt. Im Wording-Process werden die Aspekte an die Unternehmens-Sprache angepasst (Führungskraft oder Vorgesetzter? Team, Abteilung oder Gruppe? Unternehmen, Betrieb oder Firma?). So entsteht ein Fragebogen, der Zufriedenheit valide (i.e. zwecktauglich) und reliabel (i.e. wiederholungstauglich) misst.
Die wesentlichen Aspekte sind im EUCUSA-Modell gegen mehr als zwei Millionen Datensätze aus über 600 Mitarbeiterbefragungen benchmarkbar. Dadurch ist trotz des organisationsspezifischen Fragebogens eine Einordenbarkeit des eigenen Ergebnisses auf einen Blick möglich.
Jeder Aspekt kann nun von den MitarbeiterInnen auf einer sechsteiligen Likert-Skala beurteilt werden. Zusätzlich können die Mitarbeiter für rund ein Viertel aller Aspekte angeben, welche ihnen wichtig sind. So entsteht ein Handlungsportfolio (i.e. Handlungs-Relevanz-Matrix).
Durch die Fokussierung auf die wirklich wichtigen Aspekte in der Umsetzungs-Phase der Mitarbeiterbefragung wird die Zufriedenheit messbar gesteigert.
Was Engagement ist und wie dieses gemessen und gesteigert werden kann, lesen Sie in einem der nächsten Blogs.